In Berlin lichten sich die politischen Nebel - zumindest ein bisschen. Überraschend hat Kanzler Gerhard Schröder auf die Unruhe in der SPD reagiert und am Donnerstag um ein Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler gebeten. Nach dem Treffen skizzierte er, wie er am 1. Juli im Bundestag vorgezogene Parlamentswahlen erzwingen will.

"Die Vertrauensfrage wird nicht mit einer Sachfrage oder einem Gesetzesbeschluss verbunden", sagte er am Nachmittag im Kanzleramt. Gemäß dem "parlamentarischen Brauch" wird Schröder den Ältestenrat des Bundestages rechtzeitig - das bedeutet am 16. Juni - informieren. Möglicherweise ist dieses Gremium danach aber auch nicht sehr viel schlauer. Denn Gründe seines Vorgehens legt Schröder gegenüber dem Bundestag dar - es ist aber noch nicht klar, wann.

Zuvor, im Gespräch mit Köhler, dürfte der Kanzler auch versucht haben, die Wogen zu glätten, die seine Parteifreunde in den vergangenen Tagen aufgebauscht haben. Mehrere SPD-Politiker hatten Zweifel an der Überparteilichkeit des Staatsoberhauptes angemeldet und dem Bundespräsidialamt vorgeworfen, Informationen über vertrauliche Gespräche zwischen Schröder und Köhler an Medien weitergegeben zu haben.

So habe die Öffentlichkeit erfahren, dass Schröder die Neuwahl deswegen anstrebe, weil er nach den vielen Verlusten der SPD bei den vergangenen Wahlen ein "erhöhtes Erpressungspotenzial" in Partei und Fraktion sieht - was nicht nach Führungsstärke aussieht. So schimpft etwa SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler: "Ich habe alle Bundespräsidenten seit 1966 erlebt, und keiner von ihnen war politisch so einseitig wie Köhler." Johannes Kahrs, Sprecher der im "Seeheimer Kreis" organisierten rechten SPD-Abgeordneten, klagt: "Köhler ist ein Präsident, der seiner Aufgabe nicht gewachsen ist und sein Amt mit Parteipolitik verwechselt."

Autoritätsverlust

Schröder aber stellte klar, dass er "volles Vertrauen" in die Überparteilichkeit Köhlers habe, und appellierte an die Genossen, die Attacken auf selbigen "unverzüglich einzustellen". Auch in einer "politischen Ausnahmesituation" dürfe man Verfassungsorgane nicht beschädigen.

Zuvor war es SPD-Chef Franz Müntefering nicht gelungen, in Partei und Fraktion für Ruhe zu sorgen. Er gab zu, dass seine Autorität im Moment "zumindest eingeschränkt" ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2005)