Gesendete ATVplus-Reportage "Mit Herz und Handschellen" aus Graz.

Foto: ATVplus
Von wegen "Grätzelkieberer": Das Innenministerium untersagt dem ORF die für den Sommer geplante, dreiteilige Dokusoap, für die Kamerateams fünf Polizisten begleiten sollten. "Gleiches Recht für alle", erklärte das Ministeriumssprecher Rudolf Gollia Donnerstag dem STANDARD.

Der ORF sei mit der Ankündigung offenkundig "vorgeprescht", ohne die Pläne mit dem Innenministerium abzustimmen. Wie berichtet hat Gollia nach einer ATV-Reportage von Spiegel TV über die Grazer Polizei alle Dienststellen angewiesen, "Ansuchen von Spiegel TV und ähnlichen Reality-TV-Formaten" werde "grundsätzlich nicht zugestimmt". Die ORF-Dokureihe sei damit gestorben. (fid/DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2005)

Der ORF will das noch nicht bestätigen: "Die Gespräche mit dem Innenministerium laufen noch", hieß es Freitag auf APA-Anfrage auf dem Küniglberg. (red)

Wortlaut der Anweisung

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den vergangenen Tagen und Wochen sind bei verschiedenen Behörden Ersuchen von SPIEGEL TV per Mail oder Fax eingegangen, in denen um Kooperation zur Produktion von Polizei-Reportagen ersucht wird.

Dazu wird festgehalten:

Während für den Medienmitarbeiter - wie für alle Privaten - der Grundsatz gilt, dass er nur das nicht tun darf, was ihm gesetzlich verboten ist, verlangt das Österreichische Bundesverfassungsgesetz für die Verwaltung, sie dürfe nur dort handeln, wo sie vom Gesetz dazu ermächtigt wird. Die Medien finden im österreichischen Mediengesetz einen viel weiteren Rahmen vor, als er für die Sicherheitsbehörde und ihre MitarbeiterInnen vorgegeben ist.

Der Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde hat sich daher zunächst zu fragen, worauf er seine Tätigkeit dann, wenn er Medienarbeit betreibt, stützen kann. Dies umso mehr, als er sich immer wieder in einem Spannungsverhältnis zwischen Informationsbedürfnis der Medien und Geheimhaltungswunsch eines Betroffenen - oft auch einer Geheimhaltungspflicht - befindet.

Dabei sind ihnen bei der Medienarbeit naturgemäß Grenzen gesetzt; die wichtigsten Schranken erwachsen der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit aus den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen, der einen Anspruch darauf hat, dass ihn die Sicherheitsbehörde, die Polizei, nicht einer Publizität ausliefert, die grenzenlos ist und nicht mehr beherrscht werden kann.

Im Zweifelsfall muss daher der Schutz personenbezogener Daten Vorrang genießen. Den Sicherheitsbehörden obliegt es daher, im Rahmen ihrer Medienarbeit keinen Ansatzpunkt für eine Missachtung der Rechte der Betroffenen durch die Medien zu schaffen. Dies gilt insbesondere für den Schutz der Unschuldsvermutung, weshalb auch in den Fällen, in denen ein Kriminalfall aus der Sicht der Sicherheitsbehörden eindeutig als geklärt zu betrachten ist, stets nur von Tatverdächtigen zu sprechen ist.

Für den Bereich des Identitätsschutzes verpflichtet das österreichische Recht die Sicherheitsbehörden insbesondere darauf Rücksicht zu nehmen, dass keine unmittelbare aber auch keine mittelbare Identitätspreisgabe erfolgt.

Aus der o. a. Interessenslage, aber auch aufgrund des Umstandes, dass mit Beispielwirkungen zu rechnen ist und in der Folge auch andere TV-Anstalten und -Produzenten ähnliche Reportage-Formate gestalten wollen, und in Ansehung der Gefahr, dass allein der Umstand, dass ein Kamerateam bei einem Polizeieinsatz dabei ist, ein potentieller Faktor zur weiteren Eskalation der Amtshandlung sein kann, wird den Ansuchen von SPIEGEL TV und ähnlichen Reality-TV-Formaten grundsätzlich nicht zugestimmt (außerdem hat das Produktionsteam von SPIEGEL TV bei einer bereits erfolgten Reportage Vereinbarungen nicht eingehalten!).