Eine junge Frau beging in Vorarlberg Selbstmord, weil sie delogiert werden sollte. Seit einem Jahr liegt ein Antrag für eine Beratungsstelle unerledigt im Landhaus.

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Bregenz – Der Tod einer‑ 30-jährigen Bregenzerin, die am Mittwoch während der Zwangsräumung ihrer Wohnung aus dem 13. Stock ihres Wohnblocks sprang, veranlasst die Grünen, bei Landesregierung und Gemeindeverband eine Stelle für Delogierungsprävention einzufordern. Klubobmann Johannes Rauch: "Eigentlich wäre ja alles klar. Es gibt ein Konzept, einen Träger und Menschen, die das umsetzen könnten." Die Realisierung einer Beratungsstelle im Rahmen des Instituts für Sozialdienste scheitere an "kleinlichen Streitereien um die Finanzierung". 56.000 Euro müsste die öffentliche Hand aufbringen. Rauch: "Ein paar Tausend Euro sind noch offen, da wird um läppische Beträge gestritten."

Soziallandesrätin Greti Schmid (VP) lässt den Vorwurf der Verzögerung nicht gelten. "Uns geht es um die Optimierung des bestehenden Systems. Wir werden im Juli im Sozialfonds über die Finanzierung des Projekts entscheiden." Nachsatz: "Man wird halt Geld in die Hand nehmen müssen."

1000 Delogierungsanträge pro Jahr in Vorarlberg

Rund 1000 Delogierungsanträge werden pro Jahr bei den Vorarlberger Gerichten eingebracht. Zwei Drittel der Zwangsräumungen werden durch Begleichen der Mietrückstände, meist aus Geldern der Sozialhilfe, verhindert. Allein die Vogewosi, Vorarlbergs größte gemeinnützige Wohnbaugesellschaft, muss pro Woche sieben Räumungstermine festsetzen. Tatsächlich delogiert werden jährlich etwa 25 Vogewosi-Mieter.

Eine abgewendete Delogierung bedeutet aber für die Hälfte nur Aufschub. "Oft stehen die meist stark verschuldeten Menschen nach einem halben Jahr wieder vor derselben Situation", weiß Angelika Würbel vom Institut für Sozialdienste. Die Sozialarbeiterin hält frühzeitige Unterstützung der Betroffenen, etwa durch Schuldensanierungskonzepte, "für dringend notwendig". Die Betroffenen versuchten ihre Situation so lange wie möglich zu ignorieren. "Kurz vor der Delogierung haben sie dann nicht mehr die Kraft, Hilfe zu suchen."

Salzburger Vorbild

Bestes österreichisches Beispiel ist die Fachstelle für Gefährdetenhilfe in Salzburg. Seit fast zehn Jahren ist die Beratungsstelle in der Landeshauptstadt und mittlerweile auch in allen Gauen tätig. Im Vorjahr wurden 1500 Haushalte beraten. Man setzt auf Vorbeugung. Durch Kooperation mit den Wohnbaugenossenschaften, Gemeinden und Gerichten wurde ein funktionierendes Frühwarnsystem geschaffen. In den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark wird die Einrichtung flächendeckender Beratungsstellen überlegt. (jub, DER STANDARD - Printausgabe, 10. Juni 2005)