Don Franco Rapullino, Pfarrer von Porta Capuana in Neapel, gab den Gläubigen von der Kanzel eine ungewöhnliche Empfehlung mit auf den Weg: "Geht am nächsten Sonntag ans Meer, den Eintritt ins Strandbad bezahlt euch die Kirche." Der Präsident der italienischen Bischofskonferenz, Camillo Ruini, beschränkt sich darauf, den Gläubigen zu empfehlen, wo sie am Sonntag nicht hinzugehen hätten: zur Wahl.

Der Volksentscheid über die Fortpflanzungsmedizin, zu dem Italiens Wähler aufgerufen sind, hat einen Glaubenskrieg ausgelöst, dessen Vehemenz an die Auseinandersetzungen um Scheidung und Abtreibung vor Jahrzehnten erinnert. Mit der von der Radikalen Partei initiierten Volksabstimmung soll ein Gesetz abgeschafft werden, das die bekannte Astrophysikerin Margherita Hack als "mittelalterlich, frauenfeindlich, unangemessen und antiwissenschaftlich" brandmarkt.

Das vom Rechtsbündnis gegen starke Widerstände verabschiedete Gesetz über die künstliche Befruchtung gilt als das restriktivste Europas. Es hat dazu geführt, dass tausende italienischer Paare zur Erfüllung ihres Kinderwunsches Hilfe im Ausland suchen. "Das Gesetz behindert die wissenschaftliche und medizinische Forschung in völlig anachronistischer Art", klagt der bekannte Krebsarzt und ehemalige Gesundheitsminister Umberto Veronesi.

"Meine Eierstöcke"

Der Riss geht quer durch die Parteien und die Bevölkerung. In den Bars blättern ratlose Wähler in Broschüren über Implantation und tiefgekühlte Embryos, eine Flut gegensätzlicher Warnungen ergießt sich über die Italiener. Künstler, Musiker und Fernsehstars engagieren sich im Wahlkampf. "Was wissen denn Kardinäle über meine Eierstöcke?", ereifert sich die Schauspielerin Monica Bellucci. Die Nobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini warnt vor dem "Kreuzzug der Kirche": "Es ist absurd, eine winzige Ansammlung von Zellen als Individuum zu behandeln." Olympiasiegerinnen wie Manuela di Centa und Modeschöpferinnen wie Anna Fendi appellieren vor allem an die Frauen, sich dem kirchlichen Boykottaufruf zu widersetzen, um die nötige Beteiligung von 50 Prozent nicht zu verfehlen.

"Hört nicht auf die Politiker, sondern auf deren Frauen", empfiehlt Frauenministerin Stefania Prestigiacomo in Anspielung an die Gattinnen von Premier Silvio Berlusconi, Außenminister Gianfranco Fini und Oppositionsvertreter Francesco Rutelli, die für die Abschaffung des Gesetzes stimmen wollen.

Wie stark die Volksabstimmung auch die Fronten in den Parteien polarisiert, bekam Gianfranco Fini am Mittwoch zu spüren. Weil er den Boykottaufruf als "Akt gegen die staatsbürgerliche Erziehung" wertete, wurde er von wütenden Parteifreunden der Nationalen Allianz zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2005)