Der Neoliberalismus sei eine Pseudoreligion, in der wirtschaftliches Wachstum, freier Handel und Globalisierung die Rolle der Dreieinigkeit übernommen hätten. Die Weltbank und die Welthandelsorganisation wären in dieser Religion der Vatikan, der auf die Unfehlbarkeit bestehe. Der Neoliberalismus habe geschafft, was dem Christentum in 2000 Jahren nicht gelungen ist: Er habe die gesamte Welt erobert. Für den Ökonomen Neef braucht es aber eine Neuorientierung hin zu nachhaltigen Wegen des Wirtschaftens, die nicht auf Kosten einzelner Gruppen gehen. Dazu müsse eine neue Sprache entwickelt werden, die nicht von Macht und Dominanz ausgehe.
<>"Barfuß-Ökonomie"
Die von Neef vertretene "Barfuß-Ökonomie" geht davon aus, dass man Armen nicht helfen könne, sondern ihnen die Rahmenbedingungen geben müsse, damit sie selbst ihre Potenziale entwickeln. "Die Armen sind kreative Menschen, sonst würden sie nicht überleben", sagte Neef. Der Ansatz "Ich muss den Armen etwas geben" funktioniere nicht. Eine Veränderung könne nur von innen kommen. Weltbank und Währungsfonds hätten mit ihren Programmen für unterentwickelte Länder viel Kreativität und Vielfalt zerstört, weil sie davon ausgingen, dass "alle die selbe Krankheit haben und deshalb alle die selbe Medizin brauchen." Neef tritt für Selbsthilfe, Eigenorganisation und Kooperation ein und fördert Ansätze, die sich an den lokalen Grundbedürfnissen orientieren und eine kleinräumige nachhaltige Entwicklung ermöglichen.
Besondere Rolle der Universitäten
Für Neef, der 1983 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, kommt den Universitäten bei der Neuorientierung hin zu neuen Wegen des Wirtschaftens und des Lebens eine besondere Rolle zu. "Wenn Universitäten nach dem agieren, was der Markt sagt, sind sie keine Universitäten mehr, sondern können auch Wurstfabriken sein." Die Universitäten dürften nicht nach Effizienz und Konkurrenz beurteilt werden, sondern müssten den Menschen Orientierung in einer verwirrenden Welt geben. Sie hätten die Aufgabe, dazu beizutragen, dass die Menschen die Welt verstehen könnten. "Nur weil wir nicht verstehen, was passiert, ist ein so simpler Diskurs wie der Neoliberalismus universell geworden", meinte der Ökonom.