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Gusenbauer verteidigt die neue EU-kritische Linie seiner Partei.

Foto: APA/Robert Jaeger
Wien - Politiker, hört die Nein- Signale: Diesen Slogan gibt SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer aus. Seit dem französischen Non und dem niederländischen Nee zur EU-Verfassung fährt die SPÖ einen europakritischen Kurs. Das sei nicht Populismus, sondern nötig, meint Gusenbauer im STANDARD-Interview: "Wir haben es in Österreich nicht geschafft, eine zivilisierte Diskussion über EU-Politik zu führen. Die Regierung versucht, es sich leicht zu machen. Sie beschließt den Kurs der EU-Politik und will jede Kritik daran diskreditieren, indem sie uns Verlassen des Europakonsenses vorwirft. Das ist nicht demokratisch."

Widerspruch gegen die rote EU-kritische Linie kam nicht nur aus der ÖVP, sondern auch von SP-Europaabgeordneten, die das Hinhauen roter Gewerkschafter auf "Brüsseler Bürokraten" kritisch kommentierten. Gusenbauer hält entgegen: "Niemand stellt Österreich infrage, wenn man sich kritisch mit der Politik der Regierung auseinander setzt. Genau die kritische Auseinandersetzung ist auch mit der EU-Politik notwendig, die ja in erster Linie von Regierungschefs und Ministern gemacht wird. Ich kritisiere nicht anonyme Bürokraten, sondern konkret Finanzminister Karl-Heinz Grassers unsoziale EU-Finanzpolitik."

Verfassung ändern

Gerade nach Non und Nee hält Gusenbauer einen "Kurswechsel" für notwendig. Kommende Woche beraten die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel, wie es mit der Verfassung weitergehen soll. Gusenbauer ist überzeugt, dass ein "Weiter so" der falsche Weg ist: "Es ist eigentlich eine Verhöhnung, jetzt noch weitere Volksabstimmungen durchzuführen. Man muss die Verfassung überarbeiten und ändern."

Der EU-Verfassungskonvent formulierte seinerzeit einen Entwurf, in dem Punkte zur Sozial- und Wirtschaftspolitik enthalten waren. Die 25 Kanzler der EU, die dann die Verfassung fertig verhandelten, haben die Passagen (den so genannten Abschnitt 3) wieder gestrichen. Gusenbauer fordert, den Abschnitt wieder in die Verfassung zu integrieren: "Viele Ängste haben mit der falschen Sozial- und Wirtschaftspolitik der EU zu tun. Daher soll der Abschnitt über Wachstums- und Beschäftigungspolitik in die Verfassung eingefügt werden."

"Erweiterungsstopp"

Über diese veränderte Verfassung könne dann erneut das Volk befragt werden. Diesmal aber europaweit, fordert Gusenbauer: "Wenn national abgestimmt wird, kommt es zur Vermischung mit Befindlichkeiten über die eigene Regierung." Diese EU-weite Abstimmung solle Ende 2005, Anfang 2006 stattfinden.

Danach könne die Verfassung in Kraft treten. Davor lehnt Gusenbauer EU-Erweiterungen ab: "So lange es keine Verfassung gibt, darf kein Land aufgenommen werden." Für 2007 oder 2008 ist der Beitritt von Rumänien und Bulgarien geplant, das könne sich verschieben, falls es keine Verfassung gibt, meint der SP- Chef. Mit der Türkei und Kroatien hingegen haben die Beitrittsverhandlungen noch nicht begonnen, auf diese Staaten würde sich seine Forderung nach "Erweiterungsstopp" kaum auswirken.

Die SPÖ versuchte Freitag, Kanzler Wolfgang Schüssel im Hauptausschuss des Nationalrats Aufträge für den EU-Gipfel mitzugeben. Vergeblich: Die Anträge bekamen keine Mehrheit. (DER STANDARD, Print, 11./12.6.2005)