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Foto: Reuters/Reed

Gezeugt haben ihn eine fortan allein erziehende Alkoholikerin und ein Zuhälter. Seitdem rast er durch die Welt. Wild, stark, zornig, gewalttätig, wehleidig, selbstmitleidig, verhaltensgestört.

Am 22. November 1986 stieg Tyson mit Trevor Berbick in den Ring. Nach sechs Minuten Kampfzeit lag Berbick auf dem Boden; der 20-jährige Tyson war jüngster Schwergewichtsweltmeister der Geschichte und läutete eine neue Ära im Boxsport ein. Davor lagen die Jahre des Gettos und des Knasts, danach folgten das schnelle, viele Geld, weitere sportliche Triumphe und weitere Jahre des Knasts, Hochzeiten und Scheidungen. Bei einem wie Tyson vermischen sich Wahrheit und Legende, wie es noch in jedem griffigen Boxerfilm so gewesen ist.

Tyson war noch nicht einmal zehn, als er zum ersten Mal jemanden zusammenschlug. Ein anderer Bub aus Brooklyn hatte eine seiner Tauben getötet. Und jenes Tier, das den Frieden symbolisiert, zieht sich durch sein Leben. Heute lebt er, der in seinem 13. Lebensjahr 38-mal von der Polizei aufgegriffen worden sein soll, in einem Vorort in Phoenix, Arizona, kümmert sich um sechs Kinder. Im Hinterhof seines Dreizimmerhauses züchtet er ein paar Tauben, füttert sie, ehe er sich zum Training begibt.

In seinen monetär besten Zeiten hatte Tyson 3000 Vögel. Die tummelten sich in seiner Villa in Farmington, Connecticut. Der einst reichste Boxer der Welt saß wegen Vergewaltigung und Körperverletzung, seine Berater waren nicht seine besten Freunde. Nach dem legendären Ohrenbiss gegen Evander Holyfield wurde er von der Sportgerichtsbarkeit gesperrt.

Vor Jahren schon leistete er den Offenbarungseid, jetzt muss er sich jede größere Ausgabe genehmigen lassen. Rapper 50 Cent erstand die Tyson- Villa um 4,1 Millionen Dollar. Und Iron Mike, wie sie ihn nennen, hat 40 Millionen Dollar Schulden. Der Plan, das Minus abzuboxen, lief, zumindest bis heute, schief. In seinem bisher letzten Kampf ging er vor elf Monaten gegen einen Nobody k.o. Am Samstag stieg Tyson in Washington mit dem Iren Kevin McBride in den Ring. Für McBride gab's 150.000 Dollar Börse, für Tyson fünf Millionen, aus denen bei reichlich Pay-TV-Konsumenten noch mehr werden sollte. Der abgehalfterte Champ zieht eben immer noch mehr als gegenwärtig jeder andere Boxer der Welt.

Mike Tyson, der Prügelnde und Geprügelte, mag sich selbst nicht sonderlich leiden. "Mein Bruder war immer was, und ich war nichts." Rodney, der Bruder, arbeitet als Krankenpfleger. (Benno Zelsacher - DER STANDARD PRINTAUSGABE 11./12.6. 2005)