"Mit der WTO wird sich alles um 100 Prozent ändern", sagt Ahmad Sadeghi. Was die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation für ihn konkret bedeuten würde, weiß der Teppichhändler im Teheraner Bazar allerdings nicht. Bereits 1996 hatte der Iran das Aufnahmegesuch gestellt. Ende Mai haben die USA ihren Widerstand nun aufgegeben. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, ist ungewiss.

Auf dem Paghenar-Markt, wo Sadeghi sein Geschäft hat, werden die großen Exporte abgewickelt. Aber seit etwa sieben Jahren sind die Umsätze um rund einen Drittel zurückgegangen. Die Branche hat den Modetrend auf dem wichtigsten Markt, den USA, verschlafen. "Für den Erfolg ist fast ausschließlich das Design verantwortlich", erklärt der Bazari. Nachahmer in Indien und Pakistan fertigen die "Perserteppiche" nicht nur billiger, sondern sie haben sich auch schneller angepasst. "Die iranische Teppichindustrie hat nicht einmal eine Organisation", klagt Sadeghi.

Nach den letzten Ölfunden steht der Iran sowohl bei den Öl- (131 Mrd. Barrel) als auch bei den Gasreserven auf Platz zwei. Bis jetzt sind die Erfolge, die vom Öl abhängige Wirtschaft zu diversifizieren, aber noch bescheiden und der hohe Ölpreis nimmt zusätzlich Reformdruck weg. "Da die meisten ökonomischen Aktivitäten von einem meist ineffizienten Staat kontrolliert werden, sind Änderungen der wirtschaftlichen Struktur einzig davon abhängig, ob der Staat tatkräftig handelt", heißt es. Auf einen Nenner gebracht: Die politische und die wirtschaftliche Macht liegen in den gleichen Händen.

Das konservativ dominierte Parlament hat in den vergangenen Monaten immer wieder Gesetze blockiert, mit denen die iranische Wirtschaft für ausländisches Kapital geöffnet werden sollte. Der Anpassungsdruck, der von der WTO ausgeht, wird deshalb vor allem von der Privatwirtschaft begrüßt. Er könnte sogar ein politisches Beben auslösen, so westliche Beobachter in Teheran. "Die WTO wird die ganze Gesellschaft ändern", sagt Paivand Sepehri von der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer.

Aufschwung in Sicht

Sepheri ist überzeugt dass, falls der wirtschaftsliberale Akbar Hashemi Rafsandjani neuer Präsident wird, der Aufschwung richtig losgehen wird. Der IWF schätzt das Wirtschaftswachstum im laufenden und im nächsten Jahr auf sechs Prozent: "Es gibt eine wachsende Schicht von Reichen im Iran."

Der größte Druck, die Wirtschaft zu diversifizieren, geht aber vom Bevölkerungswachstum aus. Von den 70,7 Mio. Iranern ist jeder zweite jünger als 25 Jahre. Jedes Jahr muss mindestens eine Million neuer Jobs geschaffen werden, damit die Arbeitslosenrate von elf Prozent nicht zunimmt. (DER STANDARD, Print, 11./12.6.2005)