Nach Kritik infolge eines STANDARD-Berichts zahlt die Wiener Gebietskrankenkasse Kuren für Kinder und andere Angehörige von Versicherten wieder - doch nur in Einzelfällen und bei sozialer Bedürftigkeit; laut Betroffenen eine verkehrte Kosten-Nutzen-Rechnung.

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Wien - Es geht um 1891 Euro. So viel - erläutert Thorstens Mutter Karin Haidinger - würde eine dreiwöchige Kur für den kleinen Buben und sie als Begleitperson im steirischen Oberzeiring kosten. Eine Kur, durch die sich die Frau eine Verbesserung von Thorstens gesundheitlichem Zustand erhofft. Nach einem STANDARD-Bericht über die konkreten Sparmaßnahmen der Krankenkassen rechnet sie sich Chancen auf eine Bewilligung ihres Antrages aus.

"Mein Sohn hatte heuer schon zwei Lungenentzündungen, dazwischen haben Mandel- und Kehlkopfinfekte einander abgewechselt", schildert sie die triste Ausgangslage. Zweimal seit Jänner habe der Viereinhalbjährige in ein Spital gebracht werden müssen - "im Kindergarten war er 2005 bisher insgesamt nur sieben Tage lang."

Unterstützungsfonds

Derzeit liegt der Kostenvoranschlag für die Kur bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), am Donnerstag soll über Zahlung oder Nichtzahlung entschieden werden. Vom so genannten Unterstützungsfonds, der einschlägige Anträge im Einzelfall prüft: Ein Sonderverfahren, wie es seit Ende Mai besteht, nachdem ein STANDARD-Bericht über das ursprüngliche Nein der Kassa zu Kur oder Erholungsaufenthalt für Thorsten (der in dem Bericht Armin genannte wurde) Staub aufgewirbelt hatte.

Prinzipiell würden "freiwillige Mehrleistungen" für Angehörige von Versicherten - Kindern wie Erwachsenen - seit August 2004 nicht mehr bewilligt, erinnert Jan Pazourek, Sprecher der Wiener Gebietskrankenkasse: "Aber wir haben die Kritik zum Anlass für eine Ergänzung genommen, die es ermöglicht, solche Leistungen wenigsten sozial Schwachen zukommen zu lassen".

Zu den Kürzungen, so Pazourek, sei die WGKK "durch Sonderprüfungen gezwungen worden ". Nach deren Abschluss habe das Gesundheitsministerium "konkret die Gewährung von freiwilligen Leistungen kritisiert - und jetzt werden wird für deren Einsparung gehaut", sie er sich ungerecht behandelt. Doch im Büro von Ministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) weist man diese Lesart weit von sich: Die Kasse agiere autonom - punktum.

Etwa, indem sie die neuen, außertourlichen Bewilligungen strikt an die Einkommenshöhe der Antragsteller bindet: Karin Haidinger - und mit ihr Thorsten - haben auf die Bewilligung der Kurkosten nur eine Chance, wenn das Monatsnettoeinkommen der alleinerziehenden Mutter unter 900 Euro liegt. Dieser fällt es schwer, nachzuvollziehen, "warum die Kassen lieber teure Spitalsaufenthalte und Medikamente zahlen statt einer Kur, die mit 1891 Euro nur einen Bruchteil so teuer ist".

Und die große Fortschritte bewirken kann, wie Sabine Greßler, Mutter eines Sohnes mit chronischer Bronchitis berichtet: "Nach drei Wochen Kur, die die WGKK im Jahr 2004 ja noch bezahlt hat, kam mein Sohn vergangenen Winter erstmals ohne Medikamente über die Runden".

Grünen-Anfrage

"Warum die Kassen oder die politisch verantwortliche Ministerin hier keine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen und danach handeln ist mir unverständlich", meint auch Sabine Mandak, Nationalratsabgeordnete der Grünen. Nach einem weiteren STANDARD-Artikel über die Nichtbezahlung des Zusatznahrungsmittels Zystilac für einen Buben mit zystischer Fibrose durch die NÖGKK hat sie eine parlamentarische Anfrage an Rauch-Kallat eingebracht. Die Kasse zahlt nicht, weil es sich nicht um ein Medikament, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel handelt - ein lebenswichtiges allerdings. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 13. Juni 2005)