Wien - Die Staatsanwaltschaft Wien beantragt beim Wiener Landtag die Auslieferung des Bundesrates John Gudenus. Der frühere FP-Politiker steht im Verdacht, mit seinen jüngsten Aussagen zu den Gaskammern im Dritten Reich gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen zu haben. Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Otto Schneider, am Montag mitteilte, erfolgte der Antrag an den Wiener Landtag bereits vorige Woche.

SPÖ im Wiener Rathaus für Auslieferung

Im Wiener Rathaus zeichnet sich die Aufhebung der Immunität von Bundesrat John Gudenus durch den Landtag ab. Die SPÖ, die im zuständigen Immunitätskollegium über neun von 15 Stimmen verfügt, werde das Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft Wien unterstützen, sagte eine Sprecherin des SP-Klubs am Montag. Das letzte Wort hat dann der Landtag selbst, wo die SPÖ ebenfalls über die absolute Mehrheit verfügt.

Derzeit ist aber noch gar nicht klar, ob sich die Entscheidung für die Landtagssitzung am 29. Juni - die letzte vor dem Sommer und aller Voraussicht nach auch die letzte vor der für 23. Oktober geplanten Gemeinderats- bzw. Landtagswahl - ausgehen wird. Der Antrag der Staatsanwaltschaft sei im Rathaus nämlich noch gar nicht eingelangt, hieß es im Büro von Landtagspräsident Johann Hatzl (S). Das Kollegium kann aber erst einberufen werden, wenn dies der Fall ist.

Vorerhebungen

Die gerichtlichen Vorerhebungen können beginnen, wenn der für den Wiener Mandatar zuständige Landtag grünes Licht gibt und die parlamentarische Immunität von Gudenus aufhebt. Dann soll auch die STANDARD-Journalistin befragt werden, die das fragliche Interview mit Gudenus geführt hatte.

Der Sager

Gudenus hatte vorige Woche wörtlich (und tatsachenwidrig) im STANDARD-Interview gesagt: "Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen. So steht es auch in Schulbüchern. Ich habe nie gesagt, dass ich prinzipiell Gaskammern anzweifle." Die Staatsanwaltschaft, die kurz zuvor ein ähnliches Verfahren gegen Gudenus wegen einer Aussage im ORF-"Report" eingestellt hatte, nahm daraufhin ihre Untersuchungen neuerlich auf.

Auch Report-Interview mit einbezogen

Das Report-Interview wurde laut Schneider auch in die aktuelle Untersuchung mit einbezogen: Der Bundesrats-Abgeordnete hatte sich Ende April in der ORF-Sendung dafür ausgesprochen, die Frage der Gaskammern "physikalisch und wissenschaftlich" zu prüfen und gemeint, man müsse eine Frage nicht mit ja oder nein beantworten.

Bundesheer will sich anhängen

Das Bundesheer wird sich in der Causa an die Staatsanwaltschaft anhängen, so Brigadier Harald Leopold, Leiter des Disziplinar- und Beschwerdewesens im Verteidigungsministeriums, am Montag. Dies bedeute, dass gegen den pensionierten Oberst Gudenus ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Auch das Bundesheer muss dazu die Aufhebung der Immunität des Mandatars beantragen.

Strafrahmen von mehr als zwei Jahren

Das Disziplinarverfahren wird dann allerdings bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ruhen. Das sei bei Delikten mit einem Strafrahmen von mehr als zwei Jahren gesetzlich so vorgesehen, so Leopold.

Gudenus unterliegt als pensionierter Militär noch dem Heeresdisziplinarrecht. Weil er im November 65 wird, läuft diese Zuständigkeit Ende dieses Jahres aber aus. (APA)