Die katholische Kirche Italiens kann aufatmen. Die Volksabstimmung über die künstliche Befruchtung ist nach dem massiven Boykottaufruf von Papst und Bischöfen an der geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Als Indikator für den Einfluss der Kirche auf die Bevölkerung ist dieses Ergebnis allerdings nur bedingt tauglich. Denn schon seit vielen Jahren erreicht kein Volksentscheid die notwendige Zahl von 50 Prozent der Wahlberechtigten. Schuld daran trägt nicht zuletzt die Radikale Partei, die nach den historischen Siegen bei den Referenden über Scheidung und Abtreibung die Waffe der Volksabstimmungen stumpf gemacht hat. Die kleine, aber aktive Bürgerrechtspartei ermüdete die Italiener mit immer neuen Volksabstimmungen zu immer bizarreren Themen. Ihre Rekordleistung schafften die Radikalen mit 13 gleichzeitigen Volksbegehren zu unterschiedlichen Themen, bei denen auch informierte Wähler jede Übersicht verloren haben. Als Folge sank die Wahlbeteiligung von fast 90 Prozent beim Scheidungsreferendum des Jahres 1974 auf 25 Prozent beim letzten Volksentscheid über das Arbeitsrecht vor eineinhalb Jahren. Zudem unterliegen Referenden in Italien einer komplizierten Regelung. Mit ihnen können die Initiatoren nur einzelne Artikel bestehender Gesetze abschaffen, deren Wortlaut auf dem Stimmzettel angegeben werden muss. Auch diesmal erhielten die Wähler vier verschiedene Stimmzettel mit meist unverständlichen Fragestellungen zur Liberalisierung der künstlichen Befruchtung. Wer für die Beibehaltung des Gesetzes war, musste mit Nein stimmen, wer dagegen war, mit Ja. Dieses Verfahren trägt maßgeblich zur Frustration der Wähler bei. Es war kein Zufall, dass die Regierung die unliebsame Volksabstimmung für 12. Juni ansetzte. Der Auseinandersetzung mit schwierigen Fragen der Bioethik zogen die wahlmüden Italiener erwartungsgemäß einen Tag am Meer vor. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.6.2005)