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Foto: APA/PRESSE/SEIDLER/etat.at
Er ist seit knapp neun Monaten Chefredakteur der altehrwürdigen "Presse" und ist angetreten, um frischen Wind in das Blatt zu bringen, war kürzlich im Branchenblatt "medianet" über Michael Fleischhacker zu lesen. Daran muss man nicht zweifeln - das eine schließt das andere ja nicht von vornherein aus. Sein Vorgänger in dieser windigen Funktion wurde allerdings, weil diesbezüglich erfolglos, brüsk verabschiedet und ist nun mit dem Segen des Bundeskanzlers, selbstverständlich nach Ausschreibung, angetreten, um frischen Regierungswind in die "Wiener Zeitung" zu bringen.

Ob er sich dabei ebenso wie Fleischhacker als "dynamisierendes Element" empfindet, ist nach den bisherigen Eintragungen in sein nicht ganz unpolitisches Tagebuch nicht ganz klar zu erkennen.

Ein Griff nach den Sternen, wie ihn Fleischhacker riskiert, bleibt Andreas Unterberger ohnehin verwehrt, meinte jener doch: "Wenn eine bürgerlich-liberale Zeitung gut gemacht ist, müsste eine verkaufte Auflage von 100.000 Stück in drei Jahren möglich sein." Nicht jeder hat den Mut, sich eine derartige Deadline zu ziehen, aber Fleischhacker ist zum Äußersten entschlossen: "Wir müssen alle Kanäle des Mediengeschäfts ausreizen."

Ein Beispiel solcher Ausreizung lieferte die altehrwürdige "Presse" nun in ihrer Wochenendbeilage Schaufenster, dessen Cover die Vereinigung zweier Körper - eines Beleuchtungs- und eines unbekleideten Frauenkörpers - zeigte, sowie den sinnigen Text: Üppige Leuchtskulpturen und barocke Lampen statt nackter Glühbirnen.

Für die "Kronen Zeitung" ist derlei ein seit Jahren ausgereizter Hut, aber für die altehrwürdige "Presse" zweifellos ein frischer Wind. Für etliche altehrwürdige Leser der "Presse" möglicherweise ein zu frischer.

Nur in der politischen Kommentierung tut man sich beim gleichzeitigen Ausreizen aller Kanäle des Mediengeschäfts noch schwer. Etwa wenn der Chefredakteur der katholischen Kirche für alle gesellschaftlichen Grundfragen empfiehlt, sich in einen "Kulturkampf" zu stürzen - es ist gut, dass es ihn gibt -, ihr aber gleichzeitig befiehlt: Im Gegenzug muss freilich auch die Kirche die Eigengesetzlichkeiten der liberalen Demokratie respektieren. Leicht wird es die hohe Geistlichkeit nicht haben, Fleischhackers Aufträgen nachzukommen, zumal er strenge Observanz predigt: Wer selbst auf der Ebene der Prinzipien argumentiert, sollte sich nicht auf taktische Spiele einlassen. Das schadet der Glaubwürdigkeit.

Wenig glaubwürdig nach den aufwühlenden Ereignissen der letzten Tage auch der Kommentar in der Samstag-Ausgabe unter dem Titel Der "Stern des Südens" verglüht, wo es hieß: Jörg Haider sollte die Niederlage seiner neuen Partei einsehen und seine politische Tätigkeit künftig auf Kärnten beschränken. Eine Empfehlung, die man nach Haiders jüngstem Triumph in Italien geradezu als beschränkt bezeichnen muss.

Um das zu erkennen, hätte man nur den Pressedienst des BZÖ lesen müssen, wo auch für "Presse"-Kommentatoren überwältigende Reaktionen auf Haiders RAI-Interview vom Mittwochabend enthüllt wurden.

Im BZÖ war schon vorher klar, dass der "Stern des Südens" nicht verglühen kann, sondern gerade im Süden aufgeht. Nach seinem TV-Auftritt vor hunderten Millionen Zusehern in der ganzen Welt auf "Al Jazeera" kündigt sich die nächste TV-Sensation mit Bündnisobmann Jörg Haider an: Jörg Haider ist der erste Politiker Österreichs, der in der populären italienischen TV-Talkshow "next" auf RAI International zu Gast sein wird. Um die Tragweite dieses TV-Events zu erfassen, muss man die bisherige Gästeliste dieser Sendung gelesen haben. Das Who is Who des internationalen politischen Parketts war bereits in "next" zu sehen.

Um der Gerechtigkeit willen ist anzumerken, dass nicht nur "Die Presse", sondern auch der Rest von Österreich die Tragweite dieses TV-Events nicht richtig zu erfassen imstande war, sondern sich als RAI-Muffel erwies. Und das obwohl der BZÖ-Pressedienst mit sachlichen Informationen nicht geizte. Dort erklärte der Moderator Piero di Pasquale nachher glaubhaft, für ganz Italien sei der Auftritt Jörg Haiders eine riesige Überraschung gewesen. Der Obmann des BZÖ und Kärntner Landeshauptmann sei ganz anders als dessen oftmalige negative Darstellung in der Öffentlichkeit es vermuten ließe. Es habe eine Flut von positiven Reaktionen der italienischen Zuseher gegeben. Viele lobten die politischen Aussagen und Visionen Haiders und bewunderten dessen souveränes und sicheres Auftreten.

Und nicht nur das. Unmittelbar nach Sendungsende liefen bei den Pressemitarbeitern Haiders die Telefone heiß. Zahlreiche Italiener wollten wissen, ob und wie sie Mitglied in Haiders neuer Bewegung werden können. Ein italienischer Anrufen meinte: "Ganz Italien liegt Jörg Haider seit heute zu Füßen."

Der RAI-Moderator bedankte sich bei Haider für die Chance, ein Interview mit ihm zu bekommen. Nur "Die Presse" will einen solchen Stern verglühen lassen! (DER STANDARD; Printausgabe, 14.6.2005)