US-Popstar Michael Jackson ist am Montag als freier Mann auf seine Ranch Neverland (US-Bundesstaat Kalifornien) zurückgekehrt. Der überraschende Freispruch in allen zehn Anklagepunkten bewahrte den wegen Kindesmissbrauchs angeklagten einstigen "King of Pop" vor einer möglichen langjährigen Haftstrafe.

Nach 14 Prozesswochen und siebentägigen Juryberatungen hatten sich die 12 Geschworenen im kalifornischen Santa Maria einstimmig das Urteil "nicht schuldig" gefällt. Sichtlich verängstigt war Jackson in Begleitung seiner Eltern und einiger seiner Geschwister zur Urteilsverlesung von seiner Neverland-Ranch in den Gerichtssaal geeilt.

Wortlos

Nach dem Freispruch wischte sich der Sänger einige Tränen ab, zeigte sonst aber kaum eine Reaktion. Kraftlos winkte er mit starrem Gesichtsausdruck den jubelnden Fans vor dem Gerichtsgebäude zu, stieg dann aber wortlos in eine von mehreren wartenden schwarzen Limousinen und fuhr nach Hause. Michael ruhe sich aus, teilte Bruder Tito Jackson dem Sender MSNBC telefonisch mit. Michael Jackson hat sich selbst noch nicht öffentlich zu dem Freispruch geäußert. Nach den Worten von seinem Verteidiger Thomas Mesereau ist Jackson Gerechtigkeit widerfahren. "Der Mann ist unschuldig. Das war er immer schon."

In der Hauptsache war Jackson vorgeworfen worden, im Frühjahr 2003 einen 13-jährigen Burschen sexuell missbraucht zu haben. Zudem war er angeklagt, die Familie unter Druck gesetzt und quasi gefangen gehalten zu haben. Die Jury sprach den Popstar auch vom Vorwurf der Verschwörung zur Entführung und der Abgabe von Alkohol an einen Minderjährigen frei. Im Falle eines Schuldspruchs hätten dem Sänger bis zu 20 Jahre Haft gedroht. Ein Polizeiwagen stand bereit, um den Sänger nach einer Verurteilung in ein Gefängnis in Santa Barbara zu bringen.

Kein Glaube

Die Geschworenen schenkten dem jugendlichen Beschuldiger des Popstars keinen Glauben. Der Bursche und dessen Mutter hätten den Eindruck von Lügnern und Betrügern gemacht, sagte eine 45-Jährige Geschworene am Montag nach der Urteilsverlesung. "Ich glaube, dass Jackson wahrscheinlich Buben auf Neverland belästigt hat", bekannte einer der Geschworenen freimütig auf CNN. Der 62-jährige Ingenieur konnte sich nur zu einem Freispruch durchringen, weil er dem jugendlichen Beschuldiger "mit einer Lügnervergangenheit" nicht 100-prozentig traute. Ein 63-jähriger Rentner, den das Gremium zum Vorsitzenden gewählt hatte, gab Jackson den Rat mit auf den Weg, vorsichtig zu sein und Buben nicht mehr in seinem Bett übernachten zu lassen.

Jacksons Ex-Frau Debbie Rowe, die für die Anklage als Belastungszeugin gegen Jackson aussagen sollte, ihn dann aber im Zeugenstand als "guten Vater" lobte, zeigte sich über den Freispruch "äußerst erfreut". Sie hätte niemals einen Pädophilen geheiratet, sagte Rowe in einer schriftlichen Erklärung.

Jubel und Begeisterung

Das Urteil der zwölf Geschworenen löste Jubel und Begeisterung unter Jacksons Anhängern aus. Hunderte Fans des Musikers umarmten sich, klatschten und tanzten. Eine Frau ließ nach jedem Freispruch der zehn einzelnen Anklagepunkte jeweils eine weiße Taube als Symbol von Jacksons gewonnener Freiheit aus einem Käfig aufsteigen. Anhänger vor dem mit roten Pappherzen geschmückten Eingang zu Jacksons Neverland-Ranch bestürmten den Autokonvoi des Sängers.

Prozessbeobachter kommentierten den Freispruch in allen Punkten als unerwarteten Sieg des Angeklagten. Star-Verteidiger Thomas Mesereau sei es gelungen, die Glaubwürdigkeit von Jacksons Beschuldiger und dessen Mutter in Frage zu stellen. Mesereau hatte sie während des 14-wöchigen "Jahrhundertprozesses" immer wieder als Betrüger, Schauspieler und Lügner dargestellt, die sich an dem "naiven" Popstar bereichern wollten.

Nach dem abgeschlossenen Strafverfahren droht Jackson aber noch ein gerichtliches Nachspiel. Der jetzt 15-jährige Beschuldiger kann sich in den nächsten drei Jahren entscheiden, noch mit einer Zivilklage gegen den Sänger vorzugehen. Ein Schuldspruch der Geschworenen hätte es ihm allerdings erleichtert, einen Millionenbetrag einzufordern. (APA/AP)