Doch aus Bukarest gibt es nun erstmals offenen Widerspruch. Der junge Finanzminister Ionut Popescu, früher Wirtschaftsjournalist, besteht darauf, dass das Haushaltsdefizit gefahrlos 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen darf und nicht unter 0,5 Prozent gehalten werden muss, wie der IWF verlangt hatte. Jetzt scheint, so Insider, eine Einigung auf 0,7 Prozent in Sicht. Die Prognosen über hohe Einkommensausfälle für den Staat seien nicht eingetroffen, sagt Popescu.
Acht Prozent Wachstum
Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten vier Jahre rechtfertigt die neue Courage. Das BIP wuchs 2004 um geschätzte 8,3 Prozent, und die Inflation sank erstmals unter zehn Prozent. Investoren strömen ins Land, angelockt durch den niedrigen Stundenlohn von durchschnittlich 0,95 Euro. Rumänische Billigautos der Marke Dacia, gefertigt in einem Renault-Tochterunternehmen im südrumänischen Pitesti, rüsten zum Sturm auf den westlichen Markt. In Bukarest und in Städten wie Hermannstadt (Sibiu), Klausenburg (Cluj) und Temesvar herrscht Boom.
Derweil sind im ganzen Land die Preise für Grundstücke, Appartements und Häuser gestiegen, je nach Region um das Zwei- oder Dreifache in den letzten fünf Jahren. Die Eckdaten und Indikatoren sind gut, doch gibt es Schönheitsfehler und Gefahren, die die neue Regierung offenbar erkennt. Zum einen ist der Wohlstand noch bei Weitem nicht in der ganzen Bevölkerung angekommen. Zum anderen könnte der 2007 geplante EU-Beitritt (der um ein Jahr verschoben werden kann) zu früh kommen, schon allein, weil Rumänien keine Zeit hat, von seinem Randstatus zu profitieren wie etwa das Nachbarland Ungarn, wo westliche Investoren Steuervergünstigungen bekamen, die in der EU nicht erlaubt sind.