Zwei Tumorzellen im Vergleich. Blau und Weiß spiegeln Strukturen der Zelle, entscheidend ist Braun: Es zeigt DR4-Rezeptoren, über die das Signal zur Apoptose, zum Suizid, kommt. Bild A (links) zeigt eine Tumorzelle des Eierstocks: wenig braune Strukturen, also kaum DR4, somit kein Signal zur Selbstzerstörung bei Entartung
Foto: Krainer
Wiener ForscherInnen konnten nun die Ursachen für die Tumorentstehung klären. Dadurch werden auch neue Therapien möglich.

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Wien - Der Krebs ist so alt wie die Menschheit selbst, nur dass er heute immer häufiger vorkommt. Solange der Mensch lebt, teilen sich seine Zellen, wobei immer wieder Fehler passieren. Normalerweise gehen entartete Zellen von alleine zugrunde. Funktioniert dieser körpereigene Kontrollmechanismus nicht mehr, entsteht Krebs. Das Risiko steigt, je älter man wird.

Bis heute ist der Kampf gegen den Krebs vor allem ein Kampf gegen die Zeit. Je früher die Diagnose, desto besser die Prognose. Häufig jedoch wird die Krebserkrankung nicht früh genug erkannt. Dies trifft besonders auf den Eierstockkrebs zu, an dem in Österreich jedes Jahr rund 1000 Frauen meist ab dem 50. Lebensjahr erkranken. Betroffene könnten künftig jedoch bessere Überlebenschancen haben. Möglich wird dies durch eine Entdeckung von Wiener WissenschafterInnen: Ein Team um Michael Krainer von der klinischen Abteilung für Onkologie am AKH hat die Ursachen für Eierstockkrebs entdeckt, was die Basis zur Entwicklung neuer Therapien darstellt. Die Arbeit wird heute, Mittwoch, im renommierten US-Fachjournal Molecular Cancer Research publiziert.

Verglichen mit anderen Tumoren wie etwa Brustkrebs ist das Ovarialkarzinom zwar selten, es gehört aber zu den führenden Krebstodesursachen bei der Frau. Da Eierstockkrebs lange Zeit keine Beschwerden verursacht, werden bis zu 65 Prozent aller Fälle erst in einem sehr späten Stadium entdeckt: Hat sich der Tumor bereits im Becken ausgebreitet, beträgt die Chance, die nächsten fünf Jahre zu überleben, rund 50 Prozent. Bei befallenen Lymphknoten reduziert sich die Fünfjahresüberlebensrate auf etwa 20 Prozent, sind über das Blut schon Fernmetastasen entstanden, überleben nur fünf bis zwölf Prozent der Frauen die nächsten fünf Jahre.

Programmierter Suizid

Wie bei anderen Karzinomen auch, entwickelt sich ein Eierstockkrebs, weil die körpereigenen Kontrollmechanismen versagen: Die Apoptose, die das kontrollierte Sterben entarteter Zellen verursacht, versagt. Das Team um Krainer konnte nun zeigen, dass bei Tumoren des Eierstockes nicht das auslösende Signal für diesen genetisch programmierten Suizid fehlt, sondern dass dieses Signal von den Zellen nicht empfangen werden kann. "Weil den Tumorzellen das DR4-Rezeptormolekül fehlt", erklärt Krainer im Gespräch mit dem STANDARD. DR4 ist jedoch für das Binden des Signalmoleküls Trail, ein Eiweißstoff, der in diesen Zellen die Apoptose einleitet, verantwortlich.

Und warum ist dieser entscheidende Rezeptor nicht oder in viel zu geringer Zahl auf den Tumorzellen vorhanden? "Das hat epigenetische Ursachen", erläutert Krainer: Das für die Ausbildung des Rezeptors verantwortliche Gen ist bei den betroffenen Frauen modifiziert - es hängt eine Methyl-Gruppe dran. Diese Methylierung ist zwar ein durchaus üblicher Mechanismus des Organismus, um gezielt Gene in Zellen auszuschalten, in den betroffenen Tumorzellen muss diese aber zu einem falschen Zeitpunkt erfolgt sein. Warum, ist unklar.

Angriffspunkte für neue Therapien

Klar ist nun jedoch die Kausalkette Methelyierung-Rezeptormanko-Trailversagen, die zu Eierstockkrebs führt. Und genau die bietet Angriffspunkte für neue Therapien, ist Krainer überzeugt. Der körpereigene Suizidsignalstoff Trail könne industriell hergestellt werden und komme bald in die erste klinische Testphase. Auch an zwei Antikörpern, die ebenfalls Apoptose induzieren, werde bereits gebastelt. Zugeschnitten für Eierstockkrebs, bei dem eben dieses Signal nicht auf natürlichem Weg in die Tumorzellen gelangt, "kommen in den nächsten Jahren wahrscheinlich einige effiziente Wirkstoffe für betroffene Frauen heraus".

Auch sei man nun in der Lage, jene Substanzen zielgenau auf das Ovarialkarzinom zurechtzuschneidern, die die Methylierung des entscheidenden Gens rückgängig machen können. Bisher sei deren Einsatz nicht möglich gewesen, weil sie sämtliche Methylierungen aufheben - hunderte von Genen wären betroffenen, der gesamte menschliche Bauplan des Menschen würde über den Haufen geworfen. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe 15.06.2005)