Santa Maria/Wien – Staatsanwalt Tom Sneddon konnte den Freispruch kaum fassen: „Wir dachten, wir haben einen guten Fall“, gab er nach der Urteilsverkündung grimmig bekannt. Im Gerichtssaal war der 63-jährige Ankläger dagegen sprachlos. Wie betäubt habe er, an die Rückenlehne seines Sessels gelehnt, verfolgt, wie die Geschworenen Michael Jackson Punkt für Punkt freisprachen, berichten Prozessbesucher.

Vor der Presse gestand Sneddon dann ein, „in der Tat enttäuscht über dieses Urteil“ zu sein. Ob er berufen werde? „Kein Kommentar.“ Ob er das Gefühl habe, einen Kinderschänder laufen zu lassen? „Kein Kommentar.“ Ob sein Büro die Zeugen der Anklage besser auf den Prozess hätte vorbereiten müssen oder ob Sneddon selbst (und nicht sein Kollege Ron Zonen) das Schlussplädoyer hätte halten sollen, sind jetzt nur noch akademische Fragen.

Auch wenn der Jurist einen persönlichen Feldzug gegen den Popstar bestreitet, die Niederlage stellt den Tiefpunkt seiner Karriere dar. Versuchte der neunfache Vater doch schon vor zwölf Jahren, Jackson wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht zu stellen. Ein Vorhaben, das scheiterte, da sich die Belastungszeugen nach einer Millionenabfindung durch den Popstar weigerten, gegen Jackson auszusagen.

Nach dem zweiten fehlgeschlagenen Versuch, eine Verurteilung zu erreichen, ist es zweifelhaft, ob sich der seit 1983 amtierende Staatsanwalt ein siebentes Mal der Wahl stellt, wenn seine Amtszeit im Jänner 2007 ausläuft. (moe, DER STANDARD Printausgabe, 15.06.2005)