Wer vor Gericht steht, weil er in Los Angeles tagsüber auf einer belebten Kreuzung das Mitglied einer rivalisierenden Gang erschossen haben soll, ist in der Bredouille. Vor allem, wenn es für die Tat drei Augenzeugen gibt und man in der Szene als „Little Hitman“ (Kleiner Killer) bekannt ist. Wenn da die Geschworenen trotzdem zu dem Urteil „Nicht schuldig“ kommen, hatte man eindeutig einen guten Anwalt: Thomas A. Mesereau.

Seit Montag kann der im Jahr 2003 von einer kalifornischen Juristenvereinigung zum „Strafverteidiger des Jahres“ erkorene Mesereau einen weiteren Erfolg auf seiner Liste führen – den Freispruch für Michael Jackson. Und das, obwohl der in Harvard und an der London School of Economics ausgebildete Anwalt mit der weißen Löwenmähne die Verteidigung des Superstars ursprünglich abgelehnt hat.

Schon Ende 2003 wollte Jackson Mesereau als Anwalt holen, der aber sagte aus Termingründen ab. Er war damit beschäftigt, für den Schauspieler Robert Blake, dem Mord an seiner Frau vorgeworfen wurde, eine Freilassung auf Kaution bis zum Prozessbeginn zu erreichen. Das gelang, in weiterer Folge überwarf sich der als impulsiv beschriebene Mesereau aber mit seinem Mandanten. Und hatte damit im vergangenen April doch Zeit, in das Jackson-Verfahren einzusteigen.

Erfahrung mit Prominenten

Mit Prominenten hat der 1950 in West Point im Bundesstaat New York als Sohn eines hoch dekorierten Offiziers aus dem Zweiten Weltkrieg geborene Mesereau schon Erfahrung: Der wegen Mordes einsitzende Sektenführer Charles Manson hat ihn in den 90er- Jahren kontaktiert, im Jahr 2001 bewahrte er den Boxer Mike Tyson vor einer Anklage wegen Vergewaltigung. Vielleicht mit ganz besonderer Hingabe, ist Mesereau doch ein großer Boxfan, der in Harvard im Boxteam war.

Doch nicht nur in der Welt der Stars bewegt sich der 55-Jährige, dessen Lebensgefährtin Schauspielerin ist. Jeden zweiten Sonntag leistet er kostenlose Rechtsberatung in einer vorwiegend von Afroamerikanern besuchten Kirche in Los Angeles. Und einmal pro Jahr übernimmt er die Verteidigung eines von der Todesstrafe bedrohten Angeklagten in den Bundesstaaten Alabama und Mississippi.

Zivilcourage hat er wohl von seinem Vater gelernt: Der sprach sich öffentlich gegen den Vietnamkrieg aus und kämpfte für die Öffnung von Sportklubs für schwarze Jugendliche. Mesereau Junior wird von Bekannten als feinsinniger Liberaler beschrieben, der gerne ins Theater und ins Kino geht – und eher chaotisch veranlagt ist. Vor Gericht gilt er aber als beinhart, seine Kreuzverhöre sind gefürchtet. Immer wieder lässt er Staatsanwälte auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen und versucht ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern – oft mit spektakulärem Erfolg. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 15.06.2005)