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Barroso will "mindestens eine Pause" bei Ratifizierungsprozess

foto: apa/epa/EPA/EFE/X Rey
Brüssel/Wien - Eigentlich sollte der Krisengipfel am Donnerstag und Freitag ein deutliches Lebenszeichen der EU sein - einer EU, die durch das Non und das Nee zur Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden schwer gebeutelt wird. Von diesem Lebenszeichen war am Mittwoch aber nicht viel zu erkennen. Stattdessen mehrten sich am Tag vor dem heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel die Anzeichen, dass es bei der Umsetzung der EU-Verfassung zu einer deutlichen zeitlichen Verschiebung kommen wird.

Selbst EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gab seine Durchhalteparolen auf und wandte sich Mittwoch in einem dramatischen Appell an die Regierungschefs: Es müsse jetzt eine praktikable Lösung zwischen "zwei Extrempositionen in Sachen Verfassung" geben. Die einen sagten, man solle das Projekt ganz aufgeben, die anderen wollten einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen. Barroso warnte davor, dass es eben keine "Wunderlösung" gebe.

Es müsse das Vertrauen wiedergewonnen werden: "Daher wäre eine Phase des Nachdenkens und der Vorsicht notwendig. Und das wäre die beste Methode, um die Verfassung zu retten und einen negativen Infektions- und Dominoeffekt zu verhindern." Sonst könnte die EU in eine "dauerhafte Krise" stürzen.

Pausetaste drücken Dieses Drücken der Pause-Taste hatten davor schon viele andere Staatschefs gefordert. Nur in Wien sprach sich Kanzler Wolfgang Schüssel für die Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses aus. "Wir sind in einer nicht einfachen Situation. Aber wir sollten den Prozess einmal zum Abschluss bringen", betonte er. Dann solle man weitersehen. Jeder Staat solle in einem demokratischen Willensbildungsprozess einmal seine Meinung sagen. Außenministerin Ursula Plassnik gab allerdings zu, dass sich in der EU die Stimmen mehrten, wonach es gut wäre, eine Phase der "Klärung und des Erklärens" einzuschalten.

Bisher haben zehn Mitgliedstaaten die EU-Verfassung ratifiziert, die meisten davon im Parlament, nur in Spanien wurde das Volk befragt und sagte Ja zu Verfassung. In Frankreich und in den Niederlanden gingen die Referenden negativ aus.

Gleich nach dem Non und dem Nee hat die britische Regierung ihr geplantes Referendum auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein Beispiel, das offenbar Schule macht: Voraussichtlich werden nach dem Gipfel auch Dänemark, Irland und Tschechien ihre geplanten Abstimmungen vorerst vertagen. Auch Schweden hat bereits angedeutet, dass die Abstimmung im Parlament über die Verfassung ausgesetzt werden könnte. Unklar ist, wie Luxemburg vorgeht: Dort ist für Anfang Juli ein Referendum geplant - für den Fall eines Nein hat Premier Jean-Claude Juncker seinen Rücktritt angekündigt.

Möglich ist, dass die Lösung der EU-Verfassung an Österreich hängen bleibt, das im Jänner 2006 den EU-Vorsitz übernimmt. Kanzler Schüssel wehrte sich am Mittwoch gegen populistische Lösungsversuche - und erteilte Stimmen, die einen Ausschluss Großbritanniens aus der EU fordern, eine klare Absage, Letzteres im Zusammenhang mit der britischen Haltung im Budgetstreit. (eli/DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2005)