Rom/Moskau/Den Haag/Madrid/Budapest - Internationale Tageszeitungen kommentierten in ihren Mittwochausgaben das Urteil im Prozess gegen Michael Jackson.

"Il Messaggero" (Rom): Größenwahn im Hause Jackson

"Jetzt, wo er nochmal gut davongekommen ist, lauert eine neue Gefahr - die der übertriebenen Euphorie. Und erste Anzeichen gibt es schon. Aber Größenwahn wäre ja keine neue Krankheit im Hause Jackson. (...) Da reicht es schon, die Webseite des Künstlers anzusehen: Das Datum des 13. Juni 2005 ist eingereiht in historische Momente (...) wie den Fall der Berliner Mauer. Sein hervorragender Anwalt ist da vorsichtiger und versichert zunächst einmal, dass Mister Michael nicht mehr mit Kindern schlafen wird. Das ist ja schon mal etwas. Jetzt gilt es aber, sich um die Zukunft zu kümmern. Denn Jackson ist (...) mit nur 46 Jahren ja immer noch ein recht junger Herr. (...)

Sicher, der Peter Pan des Rock würde auch heute noch ganze Stadien füllen. Aber es besteht auch das konkrete Risiko, dass er dabei das Gesicht verliert (und dies nicht nur als Folge der zu vielen chirurgischen Eingriffe). Der Jackson von heute ist nicht mehr im Entferntesten der Jackson von "Thriller" oder "Bad"."

"Iswestija" (Moskau): Jacksons Ruf ist ruiniert

"Trotz des Freispruchs hat sich Michael Jackson keinen zusätzlichen Ruhm erworben. Sein Image ist ruiniert, die Karriere stockt, und gesundheitliche Probleme sind auch aufgetaucht. Während der Gerichtsverhandlung hat sich Michael Jackson mit 270 Millionen Dollar (223 Mio. Euro, Anm.) verschuldet. Gerüchten zufolge hat Michael vor, seine Ranch "Neverland" zu verkaufen und auf eine Welttournee zu gehen, um etwas Geld zu sammeln, das er dann für einen Umzug nach Europa oder sogar Afrika ausgeben könnte."

"Gaseta" (Moskau): Jackson frei bis zum nächsten Buben

"Er hat seinen Weg gewählt: als vorgetäuschter Übeltäter, als Comic-Held, als Figur wie aus dem Trickfilm "Roger Rabbit", als ein Wesen, das nicht von dieser Welt ist. Seine kalifornische Ranch taufte Jackson Neverland wie in dem klassischen englischen Märchen "Peter Pan" und verwandelte sich dort in einen Märchenhelden. Pinocchio und Zwerg Nase hält auch keiner für voll verantwortlich. Also verliehen die zwölf Bürger Kaliforniens dem kollektiven Unterbewusstsein eine Stimme und befanden ihn für unschuldig. So ist es jetzt - bis zum nächsten Buben."

"de Volkskrant" (Den Haag): Der König hat den Thron verloren

"Die Jury hat sich nicht leiten lassen von dem aufgeheizten Charakter der Anklage (Pädophilie) und ebenso wenig der Neigung nachgegeben, mit einem Kompromiss sowohl dem Ankläger als auch dem Beklagten etwas zu geben. Die Fans von Michael Jackson jubeln, aber die kraftlose, bleiche Figur, die als freier Mann den Gerichtssaal verließ, war vor allem Mitleid erregend. Ein menschenscheuer Megastar, dessen Karriere praktisch vorbei ist, der finanziell am Boden liegt, der allerdings keine nachweisbare Unzucht verübt hat, der aber unverkennbar mit einer krankhaften Vorliebe für den Umgang mit Kindern befangen ist. Der King of Pop ist seinen Thron endgültig los."

"El Mundo" (Madrid): Jackson freigesprochen, aber am Ende

"Das Ansehen von Michael Jackson hat in dem Prozess schweren Schaden genommen. Der Sänger wurde freigesprochen, aber nur aus Mangel an Beweisen. Jackson selbst trug zu seiner Verteidigung nichts bei. Von der Justiz hat er kaum noch etwas zu befürchten. In allen anderen Bereichen ist seine Lage ziemlich übel. Der Prozess hat den physischen und psychischen Verfall des Stars deutlich gemacht. Jacksons Vermögen hat sich fast in ein Nichts aufgelöst.

Seine Platten verkaufen sich nicht mehr und er selbst zieht die Fans nicht mehr an wie früher. Er ist wie ein kaputtes Spielzeug. Das einstige Wunderkind hatte fast sein ganzes Leben im Rampenlicht gestanden. Mit dem Ruhm und dem Altern ist der Sänger jedoch nicht fertig geworden."

"Magyar Hirlap" (Budapest): Dilemma der Geschworenen

"Eine Schwäche des Systems liegt darin, dass sich die Frage stellt, wie sehr die ausgewählten Juroren in der Lage sind, sich der öffentlichen Stimmung oder auch den eigenen Überzeugungen zu entziehen. (...) Doch ist auch möglich, dass von den zwölf Menschen gerade der Eine Recht hat, der die Strafbarkeit des Angeklagten nicht für erwiesen erachtet und ihn damit vor dem Gefängnis oder gar dem Todesurteil rettet. Eine Gefahr steht also einer Chance gegenüber. Wir meinen, dass Letzteres wichtiger ist." (APA,Reuters)