Wien - In der Diskussion um den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ortet Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) wachsende Zustimmung zur österreichischen Linie. Er habe "mit Zufriedenheit erkannt, dass sich immer mehr EU-Staaten unserer Position anschließen", sagte Schüssel am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag zur APA.

Österreich habe schon im Dezember dafür plädiert, dass es im "Sonderfall Türkei" nicht nur die Möglichkeit zu vordefinierten Beitrittsverhandlungen, sondern auch zu "anderen Gesprächen" mit offenem Ausgang geben müsse. Oberste Priorität sei eine privilegierte Partnerschaft, so Schüssel.

Gipfel

Am EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel werden die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei laut dem Bundeskanzler definitiv "kein Thema" sein. Auch die anderen Beitrittskandidaten werden laut Außenministerin Ursula Plassnik (V) nicht in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels auftauchen. Allerdings hätten die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg die EU-Pläne "zur schrittweisen Heranführung des Westbalkans an die europäische Integration und den Kandidatenstatus von Kroatien bestätigt". Auch der nächste EU-Außenministerrat im Juli werde das Thema wieder behandeln, betonte Plassnik.

Kroatien

Die "einzig offene Frage" vor Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien sei nur noch die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Die kroatische Regierung habe bereits einen Aktionsplan vorgelegt, jetzt gehe es um dessen Umsetzung. UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte habe zuletzt erklärte, sie werde noch drei bis vier Monate benötigen, um die Erfolge der Umsetzung bewerten zu können. Ob es schneller gehe, werde auch von den kroatischen Bemühungen abhängen.

Die erfolgreiche Auslieferung des untergetauchten mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ante Gotovina sei dabei nicht zwingend, auch wenn diese die Probleme mit einem Schlag lösen würde. Kroatien müsse vor allem beweisen, dass man "alles unternimmt, um die alten Netzwerke zu zerschlagen", betonte Plassnik. Sobald diese Frage geklärt sei, "könnten die Beitrittsverhandlungen dann jederzeit beginnen".

Fix ist dagegen - auch nach den jüngsten Turbulenzen innerhalb der Union - der Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Das hat auch Bundeskanzler Schüssel vor dem EU-Gipfel bekräftigt.

Rumänien und Bulgarien

Rumänien und Bulgarien haben im April die Beitrittsverträge mit der EU unterzeichnet und sollen planmäßig am 1. Jänner 2007 der Gemeinschaft beitreten. Dieses Datum ist angesichts der jüngsten Warnbriefe, die Erweiterungskommissar Olli Rehn nach Bukarest und Sofia geschickt hat, fraglich. Entscheidend wird der Fortschrittsbericht sein, den die EU-Kommission Anfang November vorlegen wird. Nach dem Beitrittsvertrag kann bei schwerwiegenden Reformrückständen für beide Länder eine Schutzklausel zur Verschiebung der Beitritte um ein Jahr aktiviert werden. (APA)