Aus dem einstigen Idol Mohamed Khatami ist für viele Iraner und Iranerinnen ein Buhmann geworden, aber der Iran hat sich in den vergangenen Jahren zweifellos stark verändert. Reformorientierte Gelehrte in Ghom wie Großayatollah Mousavi Ardebeli haben auch den vom Präsidenten ausgerufenen "Dialog der Kulturen" ernst genommen. Mitte Mai fand bereits die dritte internationale Menschenrechtskonferenz statt, und im Herbst beginnen am Zentrum für Menschenrechtsstudien der Mofid-Universität die ersten fünfzehn Studenten ihren Master-Kurs. Im Moment liegt das Schwergewicht noch auf der Forschung – und im Lehrprogramm macht stutzig, dass das Thema Frauenrechte nur unter den Wahlfächern steht.

"In die praktische Umsetzung ist das Studienzentrum nicht involviert, ein Teil der Professoren ist aber persönlich engagiert", erklärt Nasser Elahi, der Vize-Direktor der Universität. Das Schwergewicht der Forschung liegt auf der Frage, wie Islam und Menschenrechte harmonieren. Ob es einen Unterschied zwischen den Menschenrechten im Westen und im Islam gebe, sei wissenschaftlich noch nicht geklärt, präzisiert Elahi, der keine Zweifel hegt, dass auch unter jedem neuen Präsidenten dieser Studienzweig weitergeführt wird: "Es ist allgemein akzeptiert, dass man das braucht."

Was die akademische Freiheit und die Diskussionskultur angeht, sind die privat finanzierten religiösen Seminare in Ghom den staatlichen Universitäten des Landes voraus. Erste Versuche mit öffentlichen Streitgesprächen wagt aber auch das Iranische Philosophie-Institut in Teheran zum Beispiel mit dem Thema "Mystik und Ethik", und dabei fallen im Gottesstaat auch heikle Begriffe wie säkular. "Es liegt an uns, wie wir die neuen Freiräume nutzen. Wir müssen zivilisiert damit umgehen", findet Professor Farsin Banki.

Ein "perfektes" System

Seine eigene Strategie hat Vahedi Seiyd Mojtabi. Der Chefredakteur von Aftab-e Yaz, einer reformorientierten Tageszeitung, hält sich an Revolutionsführer Khomeini als Referenz. Er nimmt dessen Worte, um klar zu machen, was gegenwärtig schief läuft. Auf diese Weise hat er schon über hundert kritische Artikel gegen den erzkonservativen Wächterrat verfasst, ein nicht gewähltes Gremium, das bei fast allen politischen Entscheiden ein Vetorecht hat. Der Wächterrat, der über die Einhaltung der islamischen Regeln wacht, hat in der achtjährigen Regierungszeit Khatamis dessen sämtliche Reformvorhaben abgeblockt. Mojtabi beschreibt das gegenwärtige System wörtlich als perfekt, das Problem liege bei den einzelnen Akteuren.

Seit über fünf Jahren ist Mojtabi mit seiner Strategie gut gefahren. Andere iranische Journalisten und politische Aktivisten hatten weniger Glück. Ihre Kritik brachte sie ins Gefängnis. Wer es wagt, den Islam in seine Forderungen nach Reform einzubeziehen, riskiert nach wie vor die Todesstrafe. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2005)