Die Aussage, dass Präsident Mohammed Khatami, auf den vor acht Jahren das iranische Reformlager große Hoffnungen setzte, gescheitert sei, gehört zum Repertoire von Iran-Kommentatoren. Für ihre Enttäuschung haben Iraner und Iranerinnen und das beobachtende Ausland natürlich gute Gründe. Zu viele Reformvorhaben sind gescheitert, zu viele bereits gesetzte Schritte - etwa die Pressefreiheit - wurden wieder zurückgenommen. Die Konservativen mussten dabei nicht viel mehr tun, als das bestehende strukturelle Rahmenwerk für sich auszunützen - für viele ein Beweis, dass Systemreform ohne Systemänderung im Iran eben nicht zu machen ist.

Das ist die eine Seite. Die andere kommt einem gerade durch den laufenden Präsidentschaftswahlkampf so recht zu Bewusstsein. Wer heute im Iran Chancen haben will, muss Postrevolutionär sein oder sich, natürlich ohne sich so zu nennen, als solcher geben. Wenn man die heutigen Parolen der Konservativen mit den Ansagen der Progressiven von vor acht Jahren vergleicht, wird man nur selten dramatische Unterschiede finden. Am unideologischsten und modernsten tritt der alte Fuchs ^Rafsanjani auf: ein siebzigjähriger Mullah, der bei der iranischen Jugend am besten von allen Kandidaten abschneidet. Die ultrakonservativen Bewerber, die einander gegenseitig behindern, sind allesamt keine Geistlichen. Das konservative Lager ist gespalten, in der Defensive.

Der Wahlprozess, der unter düsteren Vorzeichen - der Streichung aller unbequemen Kandidaten, und aller Frauen sowieso, durch den Wächterrat - begonnen hatte, wird so zum spannenden und ermutigenden Ausblick auf die iranische Gesellschaft. Was von den Entwicklungen entgegen der politisch korrekten Meinung über den Iran schon bei der Revolution ausgelöst wurde, was antirevolutionär ist, bedarf einer genaueren Analyse. Aber rückgängig zu machen ist es jedenfalls nicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2005)