Eine Montafoner Initiative sieht die Identität des Tales durch "Kistenbauten" gefährdet. Denn der Gast möchte Heimeliges statt Design.


Schruns - "Nichts darf mehr lieblich sein", bedauert Ewald Netzer, Hotelier in Schruns. Sein eigenes Haus, die Vitalquelle Gauenstein, hat Herr Netzer "im gotischen Stil" und zwar mit "lieben Elementen, die beim Gast sehr gut ankommen" ausgestattet. "Ich habe alles selber geplant", erzählt der Hotelier stolz. Und diese Freiheit sieht er gefährdet: "Die Raumplanung mischt sich über alle Maße in unsere Baukultur ein." Man dränge seiner Branche "Kistenbauten" auf, "kniet im Land vor der Architektenlobby".

Mit der Aktion "Wir verlieren unsere Identität" wehren sich 116 Montafoner Hoteliers gegen "Zwang zum einheitlichen Baustil". Es gehe darum, aufzuzeigen, "dass in der Raumplanungsabteilung einzelne Herren bestimmen möchten, was schön ist". Diese Entscheidung stehe aber nur einem zu, sagt Hotelier Netzer, "dem Gast".

Der kann in den zehn Montafoner Gemeinden aus 18.000 Gästebetten in 154 Betrieben und über 800 Ferienwohnungen wählen. "Der Gast" suche sich Häuser, die "Wohlfühlatmosphäre bieten und zwar durch "traditionelle Bauweise". Dafür müsse der Einheimische Verständnis zeigen, denn "der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler".

Traditionsbewusstsein habe nichts mit Alpenkitsch zu tun, sondern mit "Identität". Was macht für die Hoteliers im Montafon die architektonische Identität aus? Netzer: "Stilelemente wie das Giebeldach, ein Vordach und Balkone." Wirtschaftslandesrat Manfred Rein (VP), für das Ressort Raumplanung zuständig, hat nur bedingt Verständnis für die Hoteliers: "Eine Identitätskrise kann nicht von der Behörde gelöst werden. Die Montafoner müssen gemeinsam und in Eigenverantwortung entscheiden, was aus ihrem Tal werden soll."

Erwin Bahl, Bürgermeister von Schruns und Repräsentant des alle Gemeinden umfassenden Stand Montafon, sieht die Diskussion als Anlass für "eine qualifizierte Aufarbeitung des Themas Architektur und Identität". Giebel, Erker und Balkone nach Salzburger oder Tiroler Vorbild hätten jedenfalls mit der spartanischen Holzbautradition im früher "sehr kargen und armen Tal" nichts zu tun. Man müsse sich auch die Frage stellen "ob wir tatsächlich das bauen müssen, was der Gast will". Gemeinsam müsse man nach Zukunftskonzepten suchen.

Einen ersten Versuch dazu startet der Stand Montafon in Kooperation mit der Universität St. Gallen (Schweiz). Mit dem Bürgerbeteiligungsmodell "Zukunft Montafon" wird im Herbst ein mehrere Jahre dauernder Diskussionsprozess über die regionale Entwicklung des Tales begonnen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.6.2005)