Fest steht nur, dass die Aussicht auf die Aufnahme in die EU im Jahr 2007 den Bulgaren in erster Linie Hoffnung und Ansporn zu Reformen war. Es ist nicht auszuschließen, dass nach den ganzen Bemühungen der Optimismus nun in Frust oder gar Europaskepsis umschlägt. Die Ermahnung der EU zu mehr Tempo bei den Reformen könnte aber auch einen neuerlichen Anstoß zur nationalen Kraftanstrengung zur Folge haben. Das wird nicht zuletzt davon abhängen, wie die politische Führung des Landes die Krise kommuniziert.
Kurswechsel
Die amtierende Regierung von Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski setzt knapp vor der Wahl auf Beschwichtigung und Zuversicht. In welche Richtung es dann aber in den nächsten vier Jahren gehen wird, werden die rund 6,3 Millionen wahlberechtigten Bulgaren am 25. Juni entscheiden. Derzeit stehen die Zeichen auf einen Kurswechsel von der regierenden wirtschafts-liberalen Ausrichtung der NDSW zur sozialdemokratischen Politik.
Das Bündnis der Sozialdemokraten (KB) unter der Führung der BSP (Bulgarische Sozialistische Partei) liegt in den Umfragen mit bis zu 40 Prozent klar vor der Nationalen Bewegung Simeon II. (NDSW), die Umfragen zufolge auf 24 Prozent kommt. Ein klares Bekenntnis zur Europa kam im Wahlkampf von fast allen Parteien, lediglich die Rechtsnationalen äußerten Skepsis. Stark europaorientiert sind vor allem das der Europäischen Volkspartei (EVP) nahe stehende Bündnis der Vereinigten Demokratischen Kräfte (ODS) sowie die NDSW. Den Sozialisten wird hingegen vorgeworfen, sie würden mit ihrer Politik den EU-Beitrittsprozess hinderlich sein.
Veränderte Stimmung
Mit der EU-Krise hat sich die Stimmung jedenfalls verändert, die Meinungsforscher können aber eineinhalb Wochen vor dem Urnengang nicht wirklich abschätzen, welche Auswirkungen das auf die Wähler haben könnte. Zum einen könnte das Kabinett von Sakskoburggotski für die drohende Verschiebung der Aufnahme in die EU verantwortlich gemacht werden. Zum anderen könnten die Menschen sozusagen aus "Panik", nicht in die EU aufgenommen zu werden, zu den stark europaorientierten Parteien abwandern.
Das europäische Verfassungsdebakel hat jedenfalls auch in Bulgarien ähnliche Auswirkungen wie in der Union selbst gehabt: Die EU ist zum Topthema in den Medien aufgestiegen. So haben die Aussagen des österreichischen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (V), wonach sich der für 2007 geplante EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens verzögern könnten, drei Wochen vor der Wahl für viel Aufregung gesorgt. In den Tagen danach konzentrierten sich die Medien verstärkt auf Meldungen österreichischer Politiker.
Auch Nationalratspräsident Andreas Khol (V), der sich ähnlich wie Schüssel geäußert hat und Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V), der einen Beitritt der Türkei kategorisch ablehnte, wurden zitiert. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner kam mit ihrer Ansicht, man müsste zunächst die erste große Erweiterungsrunde verdauen, in so gut wie allen Medien vor.