Brüssel - Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf eine Auszeit im Ratifizierungsprozess für die Verfassung verständigt, wie der irische Außenminister Dermot Ahern am Donnerstagabend in Brüssel mitteilte. Es gebe Konsens darüber, dass die Frist November 2006 für den Abschluss der Ratifizierung in allen 25 Staaten verlängert werden soll, sagte er. Ahern sagte aber nicht, ob bestimmte Staaten während der Nachdenkpause die Ratifizierung der EU-Verfassung fortsetzen werden.

Persson: Auszeit für EU-Verfassung bis mindestens Herbst 2006

Die Aussetzung des Ratifizierungsprozesses für die EU-Verfassung gilt nach Worten des schwedischen Regierungschefs Göran Persson bis mindestens Herbst 2006. Persson sagte bei den Beratungen des Brüsseler EU-Gipfels am Donnerstag, er wolle damit der Erklärung der luxemburgischen EU-Präsidentschaft nicht vorgreifen. Damit würde ein Neubewertung der EU-Verfassung erst nach der österreichische EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 zur Debatte stehen.

Dennoch sei klar, dass etwa die Niederlande nicht vor diesem Zeitpunkt einen neuen Anlauf zur Verfassung unternehmen könnten, sagte der schwedische Regierungschef. Er erwarte nun, dass die Volksabstimmungen zur EU-Verfassung nun auch in anderen Ländern ausgesetzt würden, sagte Persson.

Diplomaten sehen flexible Auslegung der "Reflektionsphase"

Für die Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses zur EU-Verfassung zeichnet sich eine flexible Auslegung ab. Die EU-Staaten sollen selbst innerhalb einer "Reflexionsperiode" entscheiden können, ob sie die Abstimmungen zu dem Grundgesetz planmäßig fortsetzen, erklärten EU-Diplomaten beim Gipfel in Brüssel am Donnerstagabend. Umstritten sei nach wie vor, wie die Denkpause zeitlich befristet sein soll.

Die "Reflexionsphase" bedeute jedenfalls "kein Einfrieren" des Ratifikationsprozesses, teilten Diplomaten mit. Einige Länder hätten sich für eine Auszeit von einem halben Jahr, andere für ein Jahr, andere für länger ausgesprochen. "Das Datum 2006 zirkuliert", hieß es in den Kreisen. "Die Analyse lautet, wenn es ein weiteres Nein gibt, wird das die Verfassung umbringen", sagte ein EU-Diplomat. Die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs dauerten am späten Donnerstag noch an.

Vor Kurzem hatten die Franzosen und die Niederländer in Volksabstimmungen das europäische Grundgesetz mit Mehrheit abgelehnt. Sollte das Ende der "Reflexionsphase" in das erste Halbjahr 2006 fallen, müsste sich Österreich als EU-Ratspräsidentschaft mit einer Überprüfung des Verfassungsprozesses befassen. Viele Staaten hätten sich für ein Sondertreffen zur Zukunft der EU ausgesprochen. Diesen Vorschlag hatte der französische Präsident Jacques Chirac am Donnerstagabend bei den Beratungen der Spitzenvertreter der 25 EU-Staaten gemacht. (APA/AP)