Klima der Vergesslichkeit
Tatsächlich war die Geburt der neuen, wirklich unabhängigen Tageszeitung von einem Klima der Vergesslichkeit in Österreichs Waldheimat umgeben. Sprüche und Einstellungen, die heute dazu führen, dass ein Politiker, der dies nicht bleiben lässt, auch nicht Vorsitzender eines Hauses des Parlamentes werden kann, waren in den Achtzigerjahren noch allgemein akzeptiertes Unterfutter des politischen Alltags.
Herausforderungen
Zu helfen, dieses Land von seiner Verfilzung mit der autoritären Vergangenheit zu lösen, wurde von der Gründungscrew als eine der Herausforderungen ihres Journalismus betrachtet. Die vergessenen Raubkunst-Skandale ans Licht gebracht zu haben, wurde im STANDARD als Nachweis für Qualitätsjournalismus gesehen.
Sich der Aufklärung der Vergangenheit allein zu widmen wäre jedoch zu wenig. Rassismus und Ausländerfeindlichkeit abzubauen, die Justizpraxis zu analysieren sind komplementäre Aufgaben. Diesen Weg ist DER STANDARD seit seiner Gründung zusammen mit dem "Falter" und manchmal auch mit dem "profil" gegangen. Vor allem die Wiener Stadtzeitung hat besonderen Mut und ein Niveau entwickelt, das dem österreichischen Journalismus couragierten Nachwuchs sichert.
Natürlich treten immer wieder Magazin-Verleger auf und propagieren ihren "neuen Journalismus", den sie letztlich jedoch der alten Masche "Sensation" unterordnen. Und einem offensiven Marketing.
Pflege der "Streitkultur"
Weil die Standpunkte zu all diesen Fragen naturgemäß kontroversiell sind, braucht der Qualitätsjournalismus die Pflege der "Streitkultur". DER STANDARD hat in Österreich den "Kommentar der anderen" auf die täglich geöffnete Debattenbühne gestellt. Und er hat "Konfrontationen" inszeniert – heute ein selbstverständlicher Teil des Mediengeschehens.
Chancen des Qualitätsjournalismus der Zukunft
Wo liegen die Chancen des Qualitätsjournalismus der Zukunft? Zweifellos in einer noch genaueren Trennung zwischen Kommentar und Bericht, der die Tatsachentreue in den Vordergrund stellt. Schwer genug, wenn man an den "embedded journalism" des Irakkriegs denkt. Angesichts der Textkürze und Spracharmut elektronischer Medien, vor allem des Quotenfernsehens, ist die Qualität der Sprache eine Priorität. Das Leseerlebnis. Die dritte Chance sind spannende Bild-Text-Kombinationen und Vernetzungen mit den neuen Medien.
Zusammenarbeit mit internationalen Zeitungen