Ein homogenes liberales Lager im scharfen Widerstreit mit einem homogenen konservativen Lager: Dieses Klischeebild entspricht der US-Realität nur sehr bedingt.

***

Wien/Washington – Der Beliebtheitswert von George W. Bush – 51 Prozent nach seiner Wiederwahl im November 2004 – ist auf das Rekordtief von 42 Prozent gefallen, so eine neue New York Times- Umfrage. Nur noch 37 Prozent sind für Bushs Irak-Politik, seine "Social Security"-Reform wird von zwei Dritteln der Befragten abgelehnt.

Dass Bushs Werte so weit unter denen von Bill Clinton und Ronald Reagan liegen (60 bzw. 59 Prozent Zuspruch), erklärt sich die Times mit einer gegenwärtig größeren weltanschaulichen Polarisierung. Die 2004 viel beschworene Aufspaltung in ein rotes konservatives und ein blaues "liberales" Lager gibt die wahre Lage in den USA indes nur holzschnittartig wider.

Das zeigt eine detaillierte Studie, die das Meinungsforschungsinstitut Pew bereits im Vormonat veröffentlicht hat. Neun "politische Typen" – je drei "rechte", "linke" und unabhängige in der Mitte – haben die Pew-Forscher eruiert (in Ziffern jeweils der gerundete Prozentanteil an registrierten Wählern).

  • Aufseiten der republikanischen Rechten (34 Prozent) sind dies:

    • Unternehmer: (11 Prozent) vorwiegend männlich, gut gebildet, begütert, eher moderat.

    • Sozial Konservative: (13 Prozent) vorwiegend weiblich, viele evangelikale Christen, weniger pro Business.

    • Konservative, die aktiven Staat wollen: (10) relativ jung, meist weiblich, arm, aber zuversichtlich in Bezug auf die eigenen Zukunftsaussichten.

  • In der demokratischen Linken (44 Prozent) gibt es:

    • Die größte Wählergruppe der Liberalen: (19 Prozent) städtisch, begütert, ausgeprägt säkular.

    • Konservative Demokraten: (15) viele Minderheitenwähler (Schwarze, Hispanics), oft religiös, sozial konservativ.

    • Sozial Benachteiligte: (10 Prozent) vor allem weibliche Angehörige von Minderheiten, arm, schlecht ausgebildet, sehr pessimistisch.

  • In der unabhängigen Mitte (23 Prozent) ortet Pew:

    • Optimisten: (13) relativ moderate, begüterte und gut gebildete Wähler ohne fixe Parteibindung mit positiver Haltung zur Regierung, ihrem Einkommen und zur Lage der Nation im Allgemeinen.

    • Pessimisten: (10 Prozent) wenig begütert und gebildet, mit zynischer Einstellung zu Leben und Politik.

    • Bystander: (wählen nicht) junge, desinteressierte "Dropouts der Demokratie".

    Gesiegt habe Bush, so Pew, weil es ihm gelungen sei, "zwei Typen von Wechselwählern anzusprechen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten": nämlich die Optimisten und die Pessimisten aus der Mitte, die beide mehrheitlich Bush wählten. Im Übrigen täusche die verbreitete Einschätzung, dass sich in den USA zwei homogene Gruppen gegenüberstünden – von Einheit keine Spur. Republikaner sowie Demokraten sind tief in sich gespalten, wenn es um den Umweltschutz, die Rolle des Staates und das Ausmaß des US-Engagements im Ausland geht.

    Kontroversiell innerhalb der Parteien, aber auch zwischen ihnen sind die religiösen und moralischen Werte sowie die Sozialhilfe.

    Lediglich einen Punkt gibt es, auf den eine scharfe Rot- Blau-Abgrenzung laut Pew wirklich zutrifft: In Bezug auf den Irakkrieg waren die Republikaner ebenso klar dafür wie die Demokraten klar dagegen. (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.6.2005)