Wien - Mit unterschiedlichen Vorschlägen für einen Ausweg aus der Krise haben Österreichs Parteien am Samstag auf das Scheiterns des EU-Gipfels reagiert. Unterschiedliche Ergebnisse brachte auch die Suche nach den Verantwortlichen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) machte Großbritannien, Schweden und die Niederlande verantwortlich. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hingegen meinte, die Staats- und Regierungschefs hätten den britischen Premier Tony Blair, der auf dem Agrarsektor einsparen will, beim Wort nehmen und eine Ausgabenreform einleiten sollen.

Schüssel bedauerte unmittelbar nach dem Gipfel, "dass die Chance, in einer schwierigen Situation ein positives Signal für Europa zu setzen", nicht genützt wurde. Eine Einigung "wäre die Antwort auf viele Fragezeichen gewesen, die die europäischen Bürger jetzt beschäftigen werden". Es sei der Eindruck entstanden, dass es "nicht um einzelne Fragen" gegangen sei. Jene Länder, die jetzt Nein gesagt hätten, würden dies nun begründen müssen.

Im ORF-Radio (Ö1-Morgenjournal) sagte Schüssel später, Österreich hätte mit der Lösung der Finanzvorschau etwa "die Sicherheit gehabt, dass unsere Bauern eine Finanzperspektive für die nächsten acht Jahre behalten". Gerade diese Finanzvorschau "hätte mehr für Forschung, mehr für Bildung, mehr für sozialen Zusammenhalt geboten, hätte trotzdem die Nettozahler nicht übermäßig belastet, die Erweiterung finanzierbar gemacht und zugleich - für Österreich wichtig - für die Grenzregionen ein deutliches Signal gesetzt".

Blair beim Wort nehmen

SPÖ-Chef Gusenbauer sagte hingegen: "Ich bin der Meinung, man hätte Tony Blair beim Wort nehmen sollen." Der britische Premier habe angeboten, bei einer Ausgabenreform auf den Beitrags-Rabatt seines Landes zu verzichten. Dieses Angebot hätten die Staats- und Regierungschefs annehmen sollen. Es sollte weniger Geld in die Landwirtschaft, zur "Agrarindustrie", fließen und mehr in Maßnahmen für Wachstum, Beschäftigung und Forschung. Gusenbauer sieht die Krise als Chance für eine Diskussion, was sich ändern müsse, um die Zustimmung der Bürger zu bekommen.

Eu wird lange brauchen

Der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler kritisierte seinerseits die Regierung Blair scharf: "Die Briten beteiligten sich nur mit einem sehr geringen Anteil an den Kosten der Erweiterung", und gleichzeitig "treiben sie die Erweiterung an", sagte er in der Radioreihe "Im Journal zu Gast". Diese Position sei "unfair". Fischler stellte klar, die Agrarpolitik sei "die einzige Politik, die von Brüssel direkt finanziert wird". So sei beispielsweise "die deutsche Sozialpolitik allein teurer ist als die ganze Agrarpolitik Brüssels". Es sei zu überlegen, "ob wir eine industrialisierte Landwirtschaft überhaupt wollen". Die EU werde zur Erholung von der Krise lange brauchen.

Von einer "Chance" nach dem Gipfel sprach wiederum Vizekanzler Hubert Gorbach (B), es gebe jetzt die Chance für ein Europa mit mehr Bürgernähe, mehr Solidarität und Identität. Britenrabatt und zu hohe Agrarsubventionen lehnt der Vizekanzler ab.

Ziel politischen Einigung

Der Grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber sieht den Ausweg in einer "Parlamentarisierung des Einigungsprozesses". Das Europäische und die nationalen Parlamente müssten sich nun der Frage des Ziels der politischen Einigung stellen". Europa müsse sich "aus der Geiselhaft der nationalen Regierungen und Bürokratien" befreien, es müsse zu einer "politischen Ordnungsmacht der Globalisierung" werden: "Anders wird der Nationalismus, die Seuche dieses Kontinents, niemals besiegt werden." (APA)