Warschau/Nikosia - Was passiert nach dem Budgetfiasko der EU mit dem geplanten Referendum über die EU-Verfassung in Polen? Die Linken möchten eine Volksabstimmung zusammen mit der Präsidentschaftswahl am 9. Oktober durchführen. Jan Rokita, Vorsitzender der Bürger-Plattform (PO), meint hingegen, der Verfassungsvertrag sei "tot". Alle scheinen jedenfalls über die Art und Weise überrascht zu sein, wie Frankreich und Großbritannien um "Geld kämpften".

Buchhalter und Egoisten

"Ich bin enttäuscht vom Fiasko des Brüsseler Gipfels. Am Freitag haben wir ein Europa der Buchhalter und Egoisten gesehen. Ich appelliere, weniger Buchhaltung und mehr Solidarität zu haben. Ein sicheres, gemeinsames Europa kostet weniger als Konflikte, die wegen nationalen Egoismen ausbrechen könnten", sagte Wojciech Olejniczak, Vorsitzender des Linksdemokratischen Bündnisses (SLD) beim Parteitag am Sonntag.

Ruf nach mehr Verantwortung

Am Montag sprach sich in einem Radio-Interview (TOK FM) auch Premier Marek Belka über den EU-Gipfel in Brüssel. Er äußerte den Wunsch, dass Großbritannien während seiner EU-Präsidentschaft "mehr Verantwortung" für die Zukunft Europas und den Budgetkompromiss trägt. Belka erklärte auch zum ersten Mal, dass es besser wäre, wenn in Polen das Parlament über die EU-Verfassung entscheiden würde. Damit meinte er das jetzige Parlament, weil - allen Umfragen nach - der Vertrag im nächsten Parlament keine Mehrheit mehr finden würde.

Entscheidung noch im Juni

Mit dieser Aussage scheint der bis jetzt vorgeschlagene Termin 9. Oktober noch unwahrscheinlicher zu werden. Das polnische Parlament hat noch nicht entschieden, auf welche Art und Weise die EU-Verfassung ratifiziert werden soll. Man hat aber vorwiegend über ein Referendum gesprochen. Diese Frage soll im Juni definitiv entschieden werden.

Die im Internet in einem Forum eines Info-Portals über die EU-Verfassung (http://www.eurokonstytucja.pl) Diskutierenden sind der Meinung, dass in Polen ein Referendum durchgeführt werden sollte. Mit jedem Tag wächst aber die Zahl der Gegner. Laut der letzten Umfrage des Instituts CBOS waren nur 43 Prozent der polnischen Bürger (zum ersten Mal weniger als die Hälfte) für die EU-Verfassung.

"Kein Grund, zu stoppen"

Das zypriotische Parlament will dagegen wie vorgesehen am 30. Juni über die EU-Verfassung abstimmen. Die Regierung in Nikosia sehe "keinen Grund, die Ratifizierung durch das Parlament zu stoppen", sagte Außenminister Giorgos Iakovou am Montag im zypriotischen Radio. Die Staaten, die dies können, sollten das Vertragswerk ratifizieren, um anderen zu helfen, die Probleme hätten, fügte Iakovou hinzu.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten in der vergangenen Woche bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel beschlossen, den Staaten bis Mitte 2007 zur Ratifizierung der Verfassung Zeit zu geben. Ursprünglich war dafür der 1. November 2006 vorgesehen gewesen. Die Bürger Frankreichs und der Niederlande hatten die Verfassung mehrheitlich abgelehnt. (APA, red)