Philadelphia - Von einigen Tumoren weiß man, dass Viren an ihrer Entstehung beteiligt sind. Dazu gehört etwa der Gebärmutterhalskrebs, der auch auf eine chronische Infektion mit dem sexuell übertragbaren Humanen Papillomavirus zurückzuführen ist. Bei Brustkrebs gab es bisher nur Vermutungen. Bisher. Wiener Wissenschafter berichteten bei der in Philadelphia stattfindenden Biotechnologiekonferenz nun erstmals über einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Viren und dem Mammakarzinom. Die Arbeit der Gruppe um Virologe Walter Günzburg von der Wiener Veterinärmedizinischen Uni soll in "Cancer Research" publiziert werden.

Untersucht wurde das Mouse Mammary Tumor Virus (MMTV), das an Brustkrebs von Mäusen beteiligt ist - dem Virenerbgut ähnliche Genabschnitte wurden bereits auch in menschlichem Brustkrebs gefunden: "Die Gensequenzen der Viren aus dem menschlichen Brustkrebsgewebe sind zu 99,7 Prozent identisch mit jenen der Viren aus den Mäusen", erklärte Günzburg.

Was freilich noch kein Beweis für einen Zusammenhang zwischen dem Virus und Brustkrebs darstellt. Es könnte nämlich auch sein, dass der Mensch irgendwann in seiner Evolution das Erbgut der Mäuse-Brustkrebsviren aufgenommen und in seine DNA eingebaut hat. Die Wiener Forscher versuchten deshalb erstmals den Nachweis zu erbringen, dass die Mäuseviren auch menschliches Gewebe infizieren können. Mit Erfolg.

"Wir haben rekombinante MMT-Viren geschaffen, die ein Fluoreszenzgen eingebaut haben. Damit konnten wir eine ganze Reihe menschlicher Zellen, etwa aus Brust- oder Gebärmutterhalsgewebe infizieren." Unter dem Mikroskop und mithilfe einer speziellen Lichtquelle leuchteten die so infizierten Zellen auf. Mit der Zeit verbreiteten sich diese Zellen immer weiter im Gewebe - es kam zur Virusproduktion und zu fortschreitender Infektion. Untersuchungen an Brustkrebsgewebe ergaben, dass bis zu 43 Prozent der Tumorzellen mit MMTV infiziert waren. Normales Gewebe nur zu fünf Prozent.

"Das Erbgut von MMTV wird im ganzen Genom integriert, häufig aber in der Nähe von Stellen, die für Zellwachstumsfaktoren kodieren." Daher Günzburgs Verdacht: Das Mäusevirus treibt mit seinem Genom die Produktion von Wachstumsfaktoren an, fördert dadurch das Wachstum von bösartigen Zellen.

Welche Konsequenzen diese Erkenntnisse für die klinische Praxis haben werden, bleibt abzuwarten. Denkbar sei, das Virus als Vehikel für mögliche künftige Gentherapien einzusetzen. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 6. 2005)