Sondershausen/Jena - Bereits im Mittelalter gab es Buchrecycling. Viele Schriften aus Klosterbibliotheken besaßen nach der Reformation nur noch den Wert des Pergaments und wurden von weltlichen Institutionen wiederverwendet oder von fahrenden Händlern auf- und weiterverkauft. "Es war gängige Praxis, in Archiven und Amtsstuben damit Rechnungen und andere Akten einzuschlagen", sagte die Philologin Gerlinde Huber-Rebenich von der Universität Jena am Dienstag.

Im Schlossmuseum Sondershausen fand die Expertin für mittelalterliche Handschriften mit einem Forschungsteam vielfältige Belege. So wurde ein Blatt des "Liber paralipomenon" von Hieronymus aus einem im 13. Jahrhundert mit farbigen Initialen und Spiralmotiven geschmückten Manuskript 1600 als Einband der "Geldt- und Bawrechnung der Schösserey zu Sondershausen" umgenutzt. Der "Parzival" des Minnesängers Wolfram von Eschenbach in einer Abschrift aus dem 14. Jahrhundert erlitt im "Ampt Arnstadt" ein vergleichbares Schicksal, wie die Philologin berichtete.

Bislang unbekannte Schriften entdeckt

Die Jenaer Wissenschaftler fanden bei der Sichtung und Bearbeitung der Sondershäuser Sammlung mittelalterlicher Handschriftenbruchstücke auch bisher unbekannte Stücke. Darunter ist ein Fragment aus dem Manuskript der "Thüringischen Weltchronik" von Johannes Rothe. In dem Fragment aus dem "Buch der Tugenden" eines Anonymus geht es unter anderem um die moralische Bewertung der Kleiderzierde von Frauen. Insgesamt bewerteten und beschrieben die Jenaer Studenten und Doktoranden mehr als 300 Pergamente in einem 155-seitigen Katalog.

Buchrecycling wurde jüngst auch in der Zentralbibliothek des Bistums Regensburg bekannt. Bei einer Katalogisierungsaktion wurde eine der ältesten Handschriften der Tristan-Sage entdeckt. Die zwei rund 800 Jahre alten Pergamentseiten wurden ebenfalls als Einband für andere Bücher verwendet. Auf ihnen sind 210 von insgesamt 9.750 Versen der Originalerzählung enthalten. (APA/dpa)