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Angehörige der paramilitärischen Skorpion-Einheiten sollen, wie auf diesem kürzlich aufgetauchten Beweisvideo zu sehen, am Massaker von Srebrenica beteiligt gewesen sein.

Foto: AP/APTN
Belgrad - Zahlreiche ehemalige niederländische Angehörige der UNO-Truppen in Bosnien-Herzegowina (UNPROFOR) leiden am "Srebrenica-Syndrom". Dies berichtet die Presseagentur Sense (South East News Service Europe), die mit Sitz in Brüssel Journalisten aus dem Raum des früheren Jugoslawien versammelt.

171 Aussagen gesammelt

Nach Angaben der Presseagentur erschienen die Erinnerungen ehemaliger niederländischer UNPROFOR-Soldaten an die Ereignisse in der früheren Bosniaken-Enklave Srebrenica, wo von bosnisch-serbischen Truppen im Juli 1995 rund 7.800 Stadteinwohner ermordet worden waren, nun in Buchform. "Erinnerungen an Srebrenica" enthalten Aussagen von 171 niederländischen UNPROFOR-Soldaten.

Zum Zeitpunkt, als die Bosniaken-Enklave, die während des Bosnien-Krieges (1992-1995) den Status eines geschützten UNO-Gebiets hatte, von bosnischen Serben erobert wurde, waren im UNPROFOR-Stützpunkt in Potocari außerhalb der Stadt 400 niederländische Soldaten stationiert. Viele von ihnen konnten die darauf folgenden Ereignisse, als Männer im Alter ab 17 Jahren von Frauen getrennt und abgeführt wurden, um kurz danach ermordet zu werden, nicht verkraften.

Psychiatrische Hilfe nötig

Laut dem Buch hatten 40 Prozent der Angehörigen des niederländischen UNPROFOR-Bataillons in Srebrenica nach der Rückkehr in die Heimat psychiatrische Hilfe beantragt, zehn Prozent leiden weiterhin am posttraumatischen Syndrom. Zwei Drittel der Soldaten haben den Militärdienst quittiert.

Beweis-Aufnahmen vernichtet

Im Buch wird auf Grund von Aussagen auch darüber berichtet, wie die von Soldaten produzierten Aufnahmen aus Srebrenica und Umgebung nach ihrer Rückkehr in die Heimat vernichtet wurden. Einer der Filme wurde demnach in einem niederländischen Marinelabor überbelichtet. Mindestens drei weitere Filme, die in Privatlabors entwickelt wurden, waren ebenfalls spurlos verschwunden. Einer der Soldaten ließ laut dem Buch 14 Filme entwickeln, einer, auf denen Kriegsverbrechen und ihre Täter aufgenommen wurden, wurde ihm nie zurückgegeben.

Armeechef von Räumung "überrascht"

Der niederländische Oberbefehlshaber zur Zeit des Srebrenica-Massakers hat vor dem UN-Tribunal in Den Haag ausgesagt, er sei vom Abtransport der moslemischen Flüchtlinge aus der ostbosnischen Stadt überrascht worden. Die Vereinten Nationen hätten nach dem Fall der Moslem-Enklave am 11. Juli 1995 versucht, Busse zu organisieren, um die moslemischen Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen, sagte Ad van Baal am Donnerstag vor Gericht. Doch die bosnisch-serbischen Truppen seien ihnen zuvorgekommen.

Der damalige Kommandant der niederländischen Truppen in Bosnien, Major Ton Karremanns, habe ihm seinerzeit mitgeteilt, dass Busse angekommen seien und der damalige bosnisch-serbische General Ratko Mladic zwei Tage nach dem Fall der Enklave begonnen habe, die Moslems abtransportieren zu lassen. "Wir waren davon völlig überrascht", sagt van Baal. Karremanns hatte zuvor bereits ausgesagt, er habe die Absichten der bosnischen Serben erst "drei oder vier Tage" nach dem Fall der Moslem-Enklave durchschaut.

Schadenersatz-Klage in Den Haag

Familienangehörige der Srebrenica-Opfer hatten im Vorjahr die Niederlande vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag auf Schadenersatz verklagt. Sie beschuldigten die einstigen niederländischen Truppen in der ostbosnischen Kleinstadt, im Juli 1995 nicht zum Schutz der Stadtbevölkerung eingeschritten zu sein. Das Versagen der Vereinten Nationen in Srebrenica hat in den letzten Jahren immer wieder zu Diskussionen über die wahren Gründe des Nichteingreifens geführt. Nach Veröffentlichung eines umfassenden Berichts des niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (NIOD) im Frühjahr 2002 trat die niederländische Regierung von Wim Kok zurück. (APA)