Sehr geehrter Herr Rektor!

Mit Entsetzen und Empörung habe ich gestern festgestellt, dass Räumlichkeiten der Universität Wien, konkret des Neuen Institutsgebäudes, einer Veranstaltung von Burschenschaftern zur Verfügung gestellt werden. Das NIG wurde nicht nur von der Wiener Polizei, sondern in erster Linie von sogenannten Saalordnern der Burschenschaftsgruppen völlig für den Zugang gesperrt; ich wurde - als Mitarbeiterin der Universität Wien (Lehrbeauftragte am Institut für Politikwissenschaft) - mit physischer Gewalt am Betreten des Gebäudes gehindert.

Vom diensthabenden Polizeioffizier wurde mir mitgeteilt, daß die Genehmigung für die Raumvergabe durch das Rektorat der Universität Wien erfolgt Ist. Eine der veranstaltenden Gruppen war übrigens die Burschenschaft "Olympia", die ja, wie Sie sicher wissen, vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes als rechtsextreme Gruppe eingestuft wird.

Wie Sie sicher auch den diversen Pressemeldungen zum "Schiller-Kommers" in der Wiener Hofburg am 11. Juni entnehmen konnten, verstießen die auf diesen Veranstaltungen getätigten Äußerungen eindeutig gegen das Gesetz gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung - durch die Verharmlosung bzw. Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes an Jüdinnen und Juden. Als Angehörige und Lehrende der Universität Wien, als Lehrbeauftragte an einem im NIG angesiedelten Institut protestiere ich entschieden dagegen, daß mir das Betreten meines Arbeitsplatzes durch eine nicht der Universität Wien zugehörige Gruppe mit physischer Gewalt verunmöglicht wird. Ich protestiere entschieden dagegen, daß die Universität als öffentlicher Raumals geschlossener Veranstaltungsort für rechtsextreme Gruppen missbraucht wird.

Weiters protestiere ich entschieden dagegen, daß Räumlichkeiten der Universität Wien für Gruppierungen und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden, die gegen bestehende Gesetzesvorschriften im Sinne des Verbots nationalsozialistischer Wiederbetätigung verstoßen. Weiters protestiere ich dagegen, daß die vielzitierte Freiheit von Forschung und Lehre in dem Sinne ausgelegt wird, daß sie jenen politischen Strömungen Raum gewährt, die diese Freiheit von Forschung und Lehre letztlich abschaffen wollen.

Gerade im heurigen Gedenkjahr 2005 erwarte ich mir von Ihnen als Repräsentantem der Wiener Universität mehr Sensibilität und politische Einfühlungsvermögen in bezug auf rechtsextreme Politik und Propaganda. Nicht zuletzt bin ich als Angehörige einer vom nationalsozialistischen Regime verfolgten sozialen Minderheit - ich bin lesbisch und Funktionärin der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien - entsetzt darüber, welche Gruppierungen Sie an der Universität Wien in Form einer Hörsaalvergabe unterstützen.´

Ich fordere Sie auf, künftig genauer zu überprüfen, welchen politischen Gruppierungen Sie überhaupt die Abhaltung einer überdies noch geschlossenen Veranstaltung genehmigen - auch im Sinne einer Anwendung bestehender Gesetzesvorschriften.

Mit entsetzten Grüßen Dr.in Gudrun Hauer, Universitätslektorin am Institut für Politikwissenschaft