Künstler gehen und gingen in der Broadway Piano Bar in der Wiener Innenstadt ein und aus. Jetzt droht das Ende. Das Haus soll abgerissen werden.

Foto: Standard/Fischer

Seit über 20 Jahren ist die Broadway Piano Bar in der Wiener Innenstadt eine Legende unter Insidern. Bernstein spielte hier, Billy Joel gibt gelegentlich den "Piano Man". Doch jetzt soll der Betreiber zusperren. Denn für den neuen Eigentümer ist das ganze Haus abbruchreif.

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Wien – "Das Lokal ist ja weniger ein Geschäft in diesem Sinn. Eher Liebe", gesteht Bela Koreny. Die große Liebe zu dieser, seiner Broadway Piano Bar hat dazu geführt, dass er seit zwei Jahren unter Herzschmerz leidet, der immer ärger wird. Denn Herr Koreny hat "Zores. Nix als Zores." Ursache ist der neue Hausbesitzer, der sich zum Ziel gesetzt hat, das gesamte Haus leer zu bekommen. Die jüngsten Zores: Bis diesen Samstag müsse das Lokal geräumt werden – akute Einsturzgefahr habe ein Gutachter bescheinigt.

21 Jahre ist Koreny nun in dieser längst zur Legende gewordenen Bar am Bauernmarkt 21. "Und 18 Jahre war überhaupt nichts" – was die Zores betrifft. Denn drinnen war immer etwas los – was den Betrieb betrifft. "Bela: A so a schiaches Lokal hab i no nie g'seh'n", hatte ihm seinerzeit Helmut Qualtinger bescheinigt. Damals, 1984, als die Broadway Piano Bar eröffnete. Und dabei blieb es: Die Künstler gehen hier ein und aus.

50 Uraufführungen

Billy Joel spielt hier, wenn er in Wien seinen Vater besucht. Nina Proll und Pia Dowes machten hier "ihre ersten Schritte". Früher gab Leonard Bernstein gelegentlich Klavierabende abseits des Konzertbetriebes. Jetzt kann es Julian Rachlin sein – "der Rachlin und der Joel, die hören ja nie auf, die spielen bis vier in der Früh durch". Demnächst soll "die Nacht der zehn Violinkonzerte" stattfinden.

So gab es hier bereits 50 Uraufführungen – meist am Abend vor der offiziellen Aufführung. Dazu eine Premiere, bei der es blieb: "In meinem Lokal kam es zur einzigen Begegnung zwischen Qualtinger und Falco. Die Ute Lemper und die Mercedes Echerer sind meine Zeuginnen."

Und das soll jetzt alles mit einem Schlag vorbei sein. Bis jetzt hat Bela Koreny jeglicher Unbill getrotzt. Das ganze Haus darüber steht bereits leer – und sieht entsprechend aus. Überall Schutt und tote Tauben. Offene Fenster, abgeschlagene Leitungen. Die Folge: "Fünf Überschwemmungen hatte ich die letzten eineinhalb Jahre. Im Februar ist im zweiten Stock ein Rohr geplatzt, das kam wie ein Wasserfall herunter." Einmal musste der Flügel in ein benachbartes Geschäft gerettet werden, und Koreny musste für Wochen zusperren.

Weitere Punkte: Der Hinterhof, über den der Fluchtweg der Broadway Piano Bar verläuft, wurde mit Schutt versperrt. Die Hauseingangstüre bleibe ständig offen, seither finden sich oben "immer wieder Spritzen". Die Räumungsklage des Eigentümers ging in erster Instanz durch – weil ^Koreny den Brief nicht erhielt; die Postkästen seien nicht zugänglich gewesen. Derzeit ist ein Wiedereinsetzungsverfahren anhängig.

Architektenwettbewerb läuft

Von all dem will der Eigentümer, Martin Lenikus, natürlich nichts wissen. Der Geschäftsführer der gleichnamigen Firma erklärt, Gutachter hätten im Vorfeld festgestellt, dass die wirtschaftliche Abbruchreife vorliege. "Das Haus ist in einem gefährlichen Zustand", sagt Lenikus zum STANDARD. Daher die Entscheidung: "Wir gehen in Richtung Neubau, weil der Altbestand nicht zu retten ist." Inzwischen laufe auch schon ein Architektenwettbewerb.

Bis vor Kurzem lag bei Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SP) jedenfalls noch kein Abbruchantrag vor. "Das dürfte auch außerordentlich schwierig werden", so Faymann im Gespräch mit dem STANDARD: "Denn genau gegenüber steht ein genau baugleiches Haus. Ein derartiges Ensemble ist in der Wiener Innenstadt außerordentlich selten."

Koreny will Optimist bleiben: "1956 bin ich als Zehnjähriger mit meinen Eltern in der Nacht aus Ungarn geflüchtet. Die erste Person, die wir trafen, war zum Glück kein russischer Soldat, der uns erschossen hätte, sondern eine Frau, die für Flüchtlinge heiße Suppe ausschenkte. Das ist Österreich für mich."

Jetzt fühlt er sich aber eher "wie David gegen Goliath". Seine Hoffnung: Man weiß ja, wie das damals ausging. (Roman David-Freihsl, Peter Mayr, DER STANDARD Printausgabe 23.6.2005)