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Berlusconi - wie er sich sieht.

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Berlusconi - so wie ihn Tarja Halonen sah.

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Seit Dienstag wissen alle Italiener, warum sich die EU-Nahrungsmittelbehörde nicht in Helsinki, sondern in Parma befindet. Er habe die finnische Präsidentin Tarja Halonen mit seinem Latino-Charme erobert, wusste Premier Silvio Berlusconi in Parma zu berichten.

Bei der Einweihung des Sitzes der neuen EU-Behörde erinnerte der Regierungschef süffisant an seine Verführerqualitäten: "Ich habe auf meine frühere Playboy-Erfahrung zurückgegriffen, um die blonde Präsidentin zu betören", tönte Berlusconi in Anwesenheit von Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

"Wenn es um wichtige Entscheidungen geht, muss man die letzten Reserven mobilisieren", versicherte der Premier schmunzelnd vor Journalisten. Die Sprecherin der finnischen Präsidentin, die zunächst ungläubig auf die Äußerungen reagierte, äußerte Befremden über Berlusconis neue Entgleisung: "Bei wichtigen Sachfragen sind sexistische Bemerkungen und Playboy-Anspielungen völlig unangebracht."

Botschafter ins Außenamt zitiert Der italienische Botschafter in Finnland, Ugo Gabriele de Mohr, war am Mittwoch ins finnische Außenministerium zitiert worden, wo ihm die Überraschung der finnischen Regierung über Berlusconis abschätzige Bemerkungen bezüglich Finnlands Essen übermittelt wurde. "Damit hätte die Sache ihr Bewenden", hieß es im finnischen Außenministerium.

Culatello statt Rentier

Der italienische Regierungschef hatte am Dienstag in seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung der Europäischen Lebensmittelbehörde in Parma gesagt, Italien sei die richtige Wahl gewesen, denn finnisches Essen schmecke grässlich. Berlusconi fuhr fort, jetzt könne EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso italienischen Culatello (eine exquisite Schinkensorte) statt finnisches Rentier kosten.

Finnlands Präsidentin Halonen wollte keinen Kommentar zu dem Zwischenfall abgeben. Ihr Stab wies den Vorwurf aus Berlusconis Kreisen, wonach die Finnen keinen Humor hätten und keinen Spaß verständen, jedoch zurück.

Der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen (Zentrumspartei) witzelte auf einer Pressekonferenz, er habe eine Vorliebe für SpagHetti wie für alles einfache, gute Essen und werde auch weiterhin Spaghetti essen, solange sie nicht zu stark gewürzt seien.

Seltsamer Humor

"'Kranker Mann' isst gut" betitelte die finnische Tageszeitung "Helsingin Sanomat" (Donnerstag-Ausgabe) einen Kommentar zu dem Vorfall. Darin hieß es." Es wird gesagt, man solle sich nicht provozieren lassen, aber manchmal ist man es dennoch. Berlusconi ist bekannt für seinen - milde gesagt - seltsamen Sinn für Humor. Ein exzellentes Beispiel dafür gab er im Europaparlament, als er bestimmte deutsche Euro-Parlamentarier mit Hilfsaufsehern in einem Konzentrationslager verglich ..." und die Zeitung endete ihren Kommentar: "Der britische 'The Economist' bezeichnete den italienischen Regierungschef unlängst als kranken Mann. Berlusconi mag sich damit trösten, dass auch wenn sich Italiens Staatshaushalt in übler Verfassung befindet, Europas kranker Mann weiterhin gut isst, solange er auf die Parlamentswahlen im nächsten Jahr wartet, die laut Voraussagen herbe Verluste für seine Regierung bringen werden", so "Helsingin Sanomat".

Indes distanzierte sich Berlusconi deutlich vom Volksbegehren der Lega Nord gegen den Euro. Die Lega verfolge "territoriale Anliegen". Die EU für tot zu erklären sei absurd. Die Krise sei "eine vorübergehende Erscheinung". Der Euro sei in Italien unbestritten. Rom stehe zum Vertrag von Maastricht "in seiner neuen flexibleren Auslegung", so der Premier. Oppositionsführer Romano Prodi hat unterdessen den EU-Beitritt der Türkei als "unangebracht" abgelehnt. (red/Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2005)