Foto: Wally-Design
Foto: Wally-Design

Für Menschen, die nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld, ist die Erlösung nahe. Sie heißt Wally. Das bedeutet ungefähr das Gegenteil von Schinakel. Das heißt für jeden nur ansatzweise maritim Angehauchten: haben wollen! Bevor jetzt aber die wild gewordenen Seepferdchen ganz durchgehen, zurück in den Ausgangshafen der Geschichte. Nach Monaco, wo Geiz so gar nicht geil ist und sich darüber auch der Boss von Wally freuen darf.

Es ist 1993, und Luca Bassani Antivari, Sprössling eines Elektro-Imperiums und mehrfacher Segelchampion, gründetet sein Unternehmen. Es handelt sich dabei um keine weitere Werft für Luxusyachten, sondern um eine Denkfabrik in Sachen moderner Schiffsbau. Bassani sucht nach einer Alternative zum weit verbreiteten Einheitsbrei, der in den Yachthäfen der Welt vor sich hin dümpelt. (Bestimmte Entwürfe sowie die großen Klassiker, die sich zu besonderen Anlässen vor Portofino, Saint-Tropez, Antigua und sonst wo wie Entenfamilien in der Abendsonne tummeln, Schiffe, die große Namen tragen wie Shenandoah, Kentra oder Dorade sind freilich ausgenommen.)

Im Prinzip startete Bassani, Mitglied der feinsten Yachtclubs der Welt, seine Revolution als Dienstleister. So war die erste Werft eine virtuelle, ein Ort zur Findung von Ideen. Und die sprudelten wie der Schampus im Hôtel de Paris. Seit 2002 gibt es auch die dazugehörige reale Werft im italienischen Fano (Wally-Europe) und eine weitere in Tunesien. Insgesamt arbeiten allein im Bootsbau mittlerweile 265 Personen für Wally.

Grundidee des Wally-Chefs...

... war es, einen Yachttypus zu entwickeln, für den nicht mehr eine ganze Schar von Helferleins unter lautem Kommando-Gebrüll an Deck herumwuseln muss, um den Kahn manövrieren zu können. Dem Italiener ging es darum, große Schiffe zu bauen, die möglichst einfach zu handhaben sind, freilich unterstützt von allen Stückeln, die die moderne Technik zu bieten hat.

Auf der 24 Meter langen Wally 80 zum Beispiel erfolgt das Kielmanagement ganz ohne Tamtam über Tastenfelder, die gleich Möwenschwingen vor den Steuerrädern angebracht sind. Eine 20-Meter-Wally lässt sich dank so genannter Easy-Sail-Hydraulik mühelos und stilvoll von einem Segler bedienen, vieles geschieht auf Knopfdruck.

Auf altehrwürdige Traditionen wird bei Wally gehörig gepfiffen. Das Kernstück der Firmenphilosophie lautet: reduzieren, was das Zeug hält - und - Speed. Viel zitiert sind Bassanis Worte: "Wer den Yachtsport liebt, will nicht am Whirlpool dösen, sondern übers Wasser düsen."

Der Bootsbauer der High Society gilt als Champion in der Kunst des Weglassens. Das ist seine Disziplin. Die Kollektion der Wally-Yachten brachte etwas völlig Neues in eine vor Traditionen triefende Szene. Wallys, deren Rümpfe in extrem leichter Kevlar-Kohlefaser-Kompositbauweise gebaut werden, sind über jeglichen Verdacht auf überflüssigen Schnickschnack erhaben.

Fast immer etwas Besonderes...

... ist auch die Farbwahl der Wally-Yachten jenseits von klassischem Weiß oder Marineblau. Die Metallic-Lackierung der Wally 100, sie wurde auf den Namen "Dark Shadow" getauft, soll angeblich dem Ferrari-Farbton Ingrid-Grau gleichkommen. Ingrid, weil Roberto Rossellini bei Ferrari ein Coupé in Auftrag gab, das zu den grauen Augen seiner Frau, der Bergmann, passen sollte. Tja, so ist man bei Wally, einem Unternehmen, das mit seiner Art, Boote zu bauen, unzählige Designpreise - unter anderem den weltweit begehrten Compasso d'Oro - abstaubte.

Die gründlich ausbaldowerte Technik der Schwimm-Boliden spielt sich irgendwo im Bauch dieser reduzierten Schönheiten ab, die im Vergleich zu anderen Luxusyachten einfach wie in Schiffsform gebrachte Haikus aussehen und unter Segeln pfitschipfeilschnell, Delfinen gleich, den nobleren Teil der Weltmeere durchpflügen. Eine Wally kann ein fliegengewichtiger Superrenner, aber auch eine fundamentale Langstreckenyacht sein, mit der sich Buchten von Trinidad bis Tasmanien mühelos erreichen lassen.

Bis April 2005 wurden insgesamt 28 Wally-Segelyachten vom Stapel gelassen, fünf befinden sich derzeit im Bau. Diese Zahlen machen das Unternehmen zum Weltmarktführer im Bau großer Yachten in moderner Kompositbauweise. Hängt man alle bisher gebauten Wallys aneinander, ergibt sich eine Länge von 950 Metern, betrachtet man die Auftragslage, wird die Luxus-Seemeile aber bald voll sein. Ab circa zwei Millionen Euro ist man übrigens dabei, bei etwas, von dem Bassani sagt: "Wally ist eine Art, Aufgaben anzuschauen und zu lösen. Das können andere vielleicht nach-, aber nicht vormachen."

Seine Yachten schafften es in wenigen Jahren von anfangs belächelten Enfant-terrible-Entwürfen zu etwas, wofür große Klassiker des Yachtbaus mitunter Jahrzehnte brauchten: zum Mythos. Längst umspült der 48-jährige Bassani die oberste Liga der Segelszene mit seinem Design. Auch die Geschichte mit dem Speed geht voll auf. Nicht selten lassen die Wallys bei Regatta-Events wie der Zegna Trophy oder dem Giraglia Rolex Cup lediglich ihr Hinterteil sehen.

Fast erübrigt es sich zu erwähnen, dass sich gestaltungstechnisch auch unter Deck das absolute Wally-Galli abspielt: Badewannen aus Karbonfasern, Böden aus Kirschholz von weiß der Kuckuck woher, Spitzenleder von speziellen Gerbern, kuschelweiche Ecken mit Pucci-Dekors, also Flower-Power, und kleine Screens, die mittels Betätscheln einen Großteil der Abläufe im Schiff steuern lassen.

Entwickelt werden die Interieurs...

... unter anderem mit dem Florentiner Yacht-Designer Tommaso Spadolini, den römischen Architekten Claudio Lazzarini und Carl Pickering. Aber auch die Architekten von Foster & Partners unter der Leitung von Sir Norman Foster durften schon Hand anlegen. Tischlerarbeiten werden von der Wally-Tochterfirma (World-Wide-Woodcraft) penibelst erledigt. Mit Perfektion tobt man sich an jedem Detail aus, so kann es schon auch sein, dass die Regatta-Crew einer Wally in Pucci-Shorts auftaucht, dessen Muster sich auf dem 353 Quadratmeter großen Gennaker-Segel der Yacht Wallyno wiederfindet. Wer den Segelspaß von Wally sein Eigen nennt? Etwa Finanz-Großkaliber wie Domenico De

Sole, Ex-Boss von Gucci, oder der Reeder Claus-Peter Offen. Stünde Darth Vader der Sinn nach Ausspannen vor Ibiza, sein Schiff wäre zweifellos die "Wally Power 118", die auch unter Landratten für offen stehende Münder an der Pier sorgt. Je nach Version rund 20 Millionen Euro kostet die 36 Meter lange, dämonisch reduzierte Motoryacht. Das über 80 Tonnen schwere Düsenboot, 17.000 PS stark, erinnert in seinem so genannten Plattformüberbau an einen Kampfhund aus einem Fantasy-Reich oder einen Stealth-Bomber, vor allem wenn die Rakete mit über 100 km/h über das Meer schießt und seine Heckwelle in ein watteweißes Schaumbad verwandelt. 20.000 Liter fasst der Tank, je 3500 Liter davon verbraucht "Power 118" auf 100 Kilometer. Einmal voll tanken dürfte also so um die 20.000 Euro kosten. Das reicht dann aber bestimmt für die Strecke von Porto Cervo nach Capri. Belohnt wurde der Entwurf mit dem Preis "Millenium Yacht Design Award", ferner ist dieses 007-Bösewicht-taugliche Gefährt das einzige gezeigte Boot der Hauptausstellung zu Architektur und Design im San Francisco Museum of Modern Art.

Jetzt wird es natürlich den einen oder anderen Spielverderber geben, der vor allem wegen des Treibstoff saufenden Tomahawks ein Mords-Tamtam macht und meint, das Ganze sei aus ökologischen und sonstigen Gründen und überhaupt ein Wahnsinn. Nun, dem ist so ganz rational betrachtet nicht viel entgegenzuhalten. Als Trost sei gesagt: Es ist unwahrscheinlich, dass es in den Häfen der Welt zu einer Wally-Überpopulation kommt (siehe Preis). (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/24/06/2005)