Wien - In Österreich erkranken jährlich über 35.000 Menschen an Krebs. Neben der eigentlichen Krebserkrankung bringen meist die Folgen der Chemotherapie Probleme mit sich. So leiden je nach Krebsart 70 bis 100 Prozent der Betroffenen an einer besonderen Art der Erschöpfung. Fatigue ist das häufigste unbehandelte Symptom von Krebserkrankungen und Krebstherapien und kann auch noch Jahre nach Beendigung der Behandlung andauern.

Diese besondere Form der Erschöpfung hat nichts mit üblicher Müdigkeit oder vorübergehenden Überlastung zu tun. Fatigue ist ein extremer körperlicher, geistiger und seelischer Erschöpfungszustand, der für einen gesunden Menschen kaum nachvollziehbar ist. Es fehlt die Energie für die Bewältigung alltäglicher Aufgaben wie arbeiten, einkaufen, kochen - manchmal ist sogar essen zu anstrengend.

Häufige Begleiterscheinung

Obwohl Fatigue eine häufige Begleiterscheinung der Krebserkrankung an sich ist, wird kaum darüber gesprochen, warnten am Donnerstag Experten bei einer Pressekonferenz in Wien. Einerseits glauben Patienten, die Erschöpfung hinnehmen zu müssen, weil man "eh nichts dagegen tun kann", andererseits haben sie Angst, dass die Intensität der Chemotherapie reduziert und ihre Erkrankung nicht mehr ausreichend behandelt werden könnte.

"Fatigue ist ein wichtiges Symptom, das auf ernst zu nehmende Prozesse im Körper hinweist, wie z.B. Vorliegen einer Krebserkrankung, Blutarmut, Infektion, Depression, Hormonmangel, massive Störung des Mineralstoffwechsels, Unterernährung und andere. Jedenfalls sollte eine rasche Abklärung der zu Grunde liegenden Ursachen erfolgen, um eine entsprechende Behandlung einleiten zu können", meinte Professor Heinz Ludwig, Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung - Zentrum für Medizinische Onkologie und Hämatologie im Wilhelminenspital Wien.

Ursache

Ursache für Fatigue können Chemotherapie und Strahlenbehandlung sein. Diese Behandlungsformen zerstören schnell wachsende Zellen des Körpers, wobei nicht nur Tumorzellen, sondern auch rasch wachsende Zellen, wie z.B. des Blut bildenden Knochenmarks in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine der häufigsten Ursachen ist jedoch der Mangel an roten Blutkörperchen. Die dadurch entstehende Blutarmut (Anämie) senkt das Energieniveau im Körper drastisch, denn die roten Blutkörperchen sind für den Sauerstofftransport zuständig.

"Sofortige Abhilfe kann eine Bluttransfusion schaffen. Die Wirkung von Transfusionen hält allerdings nur wenige Tage bis maximal zwei Wochen an. Außerdem sind Bluttransfusionen mit Risiken behaftet, wie z. B. die Übertragung von Infektionen und immunologischen Reaktionen," erklärte der Wiener Onkologe Univ. Prof. Dr. Heinz Ludwig. Abhilfe kann auch die Injektion eines gentechnisch hergestellten Wachstumsfaktors bringen, der die körpereigene Bildung von Erythrozyten anregt. (APA)