Der britische Premier Tony Blair stellte vor dem Europaparlament die Pläne für die kommende EU-Präsidentschaft vor. Er forderte eindringlich Reformen, vermied aber Festlegungen.


Der britische Premier Tony Blair zog am Donnerstag vor dem EU-Parlament alle rhetorischen Register: "Ich bin ein leidenschaftlicher Europäer", meinte er gleich zu Beginn und löste bei vielen Abgeordneten einen Lachreflex aus. "Ich habe mir schon gedacht, dass es hier eine lebhafte Debatte geben wird. Lang lebe die Demokratie", meinte Blair schmunzelnd.

Danach versicherte er mehrfach, dass er nicht gegen ein soziales Europa sei. "Ich glaube an Europa als politisches Projekt", beteuerte er. Gleichzeitig verwahrte er sich dagegen, dass er als alleinig Schuldiger am Scheitern des EU-Gipfels gelte und nur wegen seiner Haltung keine Einigung über die EU-Finanzen für die Jahre 2007 bis 2013 zustande gekommen sei. "Das ist nicht nur falsch, sondern es soll jene einschüchtern, die Europa verändern wollen", sagte Blair. "Ich bin der einzige britische Regierungschef, der jemals unseren Beitragsrabatt auf den Verhandlungstisch gelegt hat." Um eine Einigung im Finanzstreit werde sich der britische EU-Vorsitz bemühen, versicherte Blair.

Er rief dazu auf, dass sich Europa einem "Reality-Check" stellen und Reformen vorangetrieben werden müssten. Es könne nicht sein, dass die EU auch in zehn Jahren noch 40 Prozent ihres Budgets für die Agrarpolitik ausgebe. Europa müsse viel mehr eine Wissensgesellschaft werden.

Was die Pläne für die EU- Präsidentschaft angeht, blieb Blair jedoch unkonkret: Er sprach an, sich für einen Kompromiss bei der Dienstleistungs- und Arbeitszeitrichtlinie einsetzen zu wollen. Er sprach sich für die Erweiterung der EU um Kroatien und die Türkei aus.

In der anschließenden Pressekonferenz ließ Blair dann mit der Aussage zu einem möglichen Beitritt Großbritanniens zur Eurozone aufhorchen: "Wir sollten uns die Position offen halten." Politisch seien die Argumente für eine Einführung des Euros in Großbritannien stark. Er werde sich aber erst dafür aussprechen, wenn auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmten.

Für seine 30-minütige Rede, die anfangs nur spärlich, später immer häufiger von Applaus unterbrochen worden ist, erhielt Blair dann 30 Sekunden Beifall. Dem noch bis 1. Juli amtierenden Ratsvorsitzenden, dem Luxemburger Jean-Claude Juncker, hatten die Abgeordneten am Vortag jedoch stehend Applaus gespendet.

Keinen Beifall für Blair gab es vom grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber. Er habe mit Erstaunen gehört, dass die EU-Krise zu lösen sei, wenn das Labour-Programm auf die EU ausgedehnt werde, so Voggenhuber. Der SPÖ-Abgeordnete Hannes Swoboda nannte Blair "einen Verführungskünstler" und verwies darauf, dass Blair sozial viel geleistet habe in Großbritannien. Blairs Problem sei aber, dass "die Briten viel europaskeptischer sind als er".

Auch ÖVP-Delegationsleiterin Ursula Stenzel meinte, Blairs Rede sei "brillant" gewesen. "Er wird aber nicht an seinen Worten gemessen werden, sondern an seinen Taten für Europa." (DER STANDARD, Printausgabe, 24.06.2005)