Wien - Dieter ist freier Fotograf. Sehr frei. Im Grunde hat noch nie wer ein Foto von ihm veröffentlicht. Deshalb kann er sich nur die billigsten Sofortbildkameras leisten. Die wiederum produzieren keine (technisch!) scharfen Fotos. - Ein Teufelskreis. Aber egal. Er macht weiter, er ist ja erst 49. "Es ist meine große Leidenschaft", verrät er der Richterin.

Apropos Leidenschaft - sein Hauptmotiv sind Liebespaare: in der Nacht, während der Ausübung ihrer Tätigkeit, am besten im Auto, wenn es sein muss aber auch auf der Wiese oder im Gebüsch. Entlang der Wiener Höhenstraße kennt er jede Nische. Schade, dass er ausgerechnet jetzt, zur Hochsaison, nicht dort sein kann. "Warum machen Sie das?", fragt die Richterin: "Sind Sie ein Pornojäger?" Aber nein, im Gegenteil. "Ich mach's, damit die jungen Leut a Erinnerung haben", sagt er: "Wir waren ja auch einmal jung", beleidigt er die Richterin.

Brigitte erinnert sich sogar noch gut. In zugeschmuster Lage sah sie ein Blitzen, vernahm ein Klopfen am Autofenster. Man zog sich an, öffnete die Tür. Nein, keine Polizei, nur Herr Dieter: "Entschuldigen Sie die Störung. Sind Sie interessiert an dem Foto? Oder soll es an eine andere Adresse gehen?" Das Interesse überwog. Sie zahlten 40 Euro. "Des woa nur a Spaß, ka Erpressung", beteuert der Beschuldigte. "Ich wollt's ihnen schenken, ehrlich, aber der Mann hat die Panik 'kriegt und hat 'zahlt", erklärt er: "Und a Feind vom Geld bin i net!"

Da in der Freiluftabsteige Wienerwald einiges an Panikpotenzial vorhanden sein dürfte, verdiente Dieter gut. Vier Fälle sind objektiviert, dutzende Opfer haben angerufen, wollen aber ganz gern anonym bleiben.

"Das ist ekelhaft und mies, was Sie da tun", rügt die Richterin. "Glauben S' ma, ich wär auch lieber auf Capri und tät mit an Weitwinkel den Grasser fotografieren", erwidert Dieter. Der Prozess wird vertagt. (Daniel Glattauer, DER STANDARD - Printausgabe, 24. Juni 2005)