SPE-Chef Poul Nyrup Rasmussen und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer fordern die Besinnung auf ein soziales Europa, das bisher nicht etnwickelt worden sei.

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Wien – Zumindest in einem waren sich die Vertreter der mehr als 30 sozialdemokratischen Parteien einig, die sich am Wochenende in Wien trafen: Aufgegeben kann und wird das Projekt Europa auch nach den letzten Rückschlägen nicht werden. Die Reduktion auf eine einfache Freihandelszone, wie sie nach den Verfassungsabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden in den Raum gestellt wurde, komme nicht infrage, betonte der Vorsitzende der Europäischen Sozialdemokraten (SPE), Poul Nyrup Rasmussen.

Die neue Richtung des europäischen Weges nach sozialdemokratischem Kompass wurde jedoch nur ungefähr angegeben: Auf jeden Fall seien die Referenden gegen die Verfassung ernst zu nehmen und vor allem als Ausdruck der Unzufriedenheit mit nationalen, neoliberalen Tendenzen gehorchenden und allzu globalisierungshörigen Politiken zu lesen. Die Krise der Union sei nicht bloß in einem EU-Skeptizismus oder einem Zulauf zu den Populisten begründet, sondern entspringe der Unsicherheit der Menschen, sich in einer sich rasant verändernden Welt zurechtzufinden, betonte der Vorsitzende der niederländischen Sozialdemokraten, Wouter Bos. Das habe auch zum Nein seiner Landsleute geführt.

Wachstumsinitiative

Als erstes Ergebnis ihrer Beratungen kündigten die SPE- Politiker eine "Initiative für Wachstum und Entwicklung" an, die bereits unter der am ersten Juli beginnenden britischen EU-Präsidentschaft gestartet werden soll. Zugleich soll ein Programm für soziale Sicherheit entwickelt werden, dessen erste Ergebnisse im kommenden Herbst präsentiert werden sollen. Strukturell ist das Vorhaben in ein Best-Practice-Modell einge bettet, in dem aus den nationalen Strategien aller EU-Länder die beste Mischung zusammengestellt werden soll.

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer verwies auf die Notwendigkeit, Programme für ein sozialeres Europa zu entwickeln, und schlug eine Grundsatzdebatte zur "Rekonstruktion" der Gemeinschaft vor: "Es reicht nicht aus, die EU den Leuten besser zu erklären. Einem Arbeitslosen hilft das nicht. Die einzige Antwort liegt in‑ einer Politik, die fähig ist, Wachstum zu erzeugen und Arbeitsplätze zu schaffen."

Es sei eine Frage von "Leben oder Tod", ob nun Forschung und Entwicklung, Infrastruktur-Maßnahmen und sozialer Zusammenhalt als Prioritäten etabliert würden. Ein erster Schritt wäre die Reduktion der Agrarausgaben auf 30 Prozent des Gesamtetats, sagte Gusenbauer. Bis 2020 sollten die Mittel auf 20 Prozent gekürzt werden, die frei werdenden Gelder in Forschung, Entwicklung und Transeuropäische Verkehrsnetze investiert werden. Derzeit beträgt der Anteil der Ausgaben für die Landwirtschaft mehr als 40 Prozent. (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.6.2005)