Hohe Arbeitslosenzahlen, eine brachliegende Industrie und das Image, die "unwirtlichste Stadt Spaniens" zu sein: Als in Bilbao vor acht Jahren das von Frank O. Gehry konzipierte, 80 Millionen Euro teure Guggenheim-Museum eröffnet wurde, protestierten die Bürger heftig gegen das exzentrische Gebäude und die Verantwortlichen, die es ausgerechnet in diese Gegend gesetzt hatten. Eine riskante Entscheidung, ein riesiger Erfolg - künstlerisch, kommerziell und kommunal. Mit fast einer Million Besucher pro Jahr zählt Bilbao heute so viele wie New York und gehört zu den beliebtesten Touristenausflugsorten in Europa.

Mit 14.000 Mitgliedern besitzt das Guggenheim-Museum Bilbao einen der größten Freundeskreise der Welt; die Selbstfinanzierung liegt mit 70 Prozent - im Vergleich zum Prado in Madrid mit 20 - extrem hoch. Die Stadt hat binnen kürzester Zeit mit ihrem neuen Markenzeichen einen Aufschwung erlebt.

Allein 15 neue Hotels entstanden im Umkreis, dazu U-Bahn-Stationen und ein futuristischer Flughafen. Bilbao zeigt: Kunst und Kultur werden zur wichtigsten Produktivkraft der Zukunft.

1. Wachstumsbranche Kulturwirtschaft: In Österreich arbeiten bereits 14 Prozent aller Beschäftigten in den Kreativindustrien. In Deutschland gehen heute rund 800.000 Menschen ihrem Broterwerb als Sänger, Schauspieler oder Designer nach - mehr als in der Automobilindustrie. In den Jahren zwischen 1995 und 2003 stieg die Zahl der Erwerbstätigen in den Kulturberufen insgesamt um 31 Prozent - während das Wachstum der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung stagnierte.

In London stellen die Kreativarbeiter nach der Finanzwirtschaft bereits den zweitgrößten Beschäftigungssektor mit einem Umsatz von mehr als 20 Milliarden Pfund. Mit einem durchschnittlichen Wachstum von sechs Prozent liegen die "Creative Industries" um vier Prozent über dem Beschäftigungswachstum der Gesamtwirtschaft.

2. Wachstumsmarkt "Kult(ur)produkte": Der rapide steigende Anteil der Kreativwirtschaft verweist auf den steigenden "Kultur"anteil an Produkten und Dienstleistungen. Kaufentscheidungen orientieren sich in den meisten Konsummärkten an Marken, die wiederum das Ergebnis strategischer Image- und Kommunikationsaktivitäten sind. Ob Luxus- oder Hausmarken: Marken als moderne Rettungsanker für den Materialisten des 21. Jahrhunderts erfüllen immer mehr emotionale, soziale und spirituelle Bedürfnisse.

Die Grenzen zwischen strategischer Markenführung, Marketing und Medien verschwimmen. Adidas führt vor, wie sich Wertschöpfungsarchitekturen verändert haben: Die Produktion wurde weit gehend ausgelagert, die Investitionen in Marketingmaßnahmen massiv erhöht, speziell für das Sponsoring von Kultur- und Sportevents.

3. Wachstumsfaktor Kreativklasse: Innerhalb der Unternehmen verändert sich der Bedarf an bestimmten Kompetenzen. Gegenüber den klassischen planenden, berechnenden und kontrollierenden Tätigkeiten erhöht sich der Anteil und die Relevanz gestaltender, kommunikativer und (Kunden) "verstehender" Kompetenzen. Was die "Kreativklasse" über alle Unterschiede hinweg verbindet, sind Neugierde und Weltoffenheit.

Interdisziplinäre Projektteams und eine verstärkte internationale Zusammenarbeit durch die "globale Arbeitsteilung" haben sowohl die Anforderungen an die Ausbildung verändert und speziell für Absolventen der Kultur- und Geisteswissenschaften neue Tätigkeitsfelder eröffnet.

Die Zeit geradliniger Lebensläufe ist vorbei: Gesucht werden Menschen, die nicht nur über eine exzellente Ausbildung und hohe Motivation verfügen, sondern vor allem eine bestimmte Mentalität mitbringen.

Das "kreative", gestaltende Klima ist nicht nur für Unternehmen heute, für die Wirtschaft, sondern für die Gesellschaft überlebenswichtig.

Denn die Fähigkeit, mit Brüchen und Veränderungen umzugehen, gehört zu den wichtigsten Lebenskompetenzen. Kultur ist nicht nur Wirtschafts-, sondern ein Wertfaktor.