Geheimnisvoll und mit ein paar Ungereimtheiten gespickt ist auch die Biografie der Arbeiterin einer Zigarrenfabrik in Sevilla, die - so erzählt man ihre Geschichte auf den Opernbühnen der Welt zur Musik von Georges Bizet - eine so genannte "Zigeunerin" ist, die wegen einer Messerstecherei mit dem Gesetz in Konflikt kommt, bevor sie einen braven Soldaten rasend vor Liebe macht. Er ist es auch, der die Männerfantasie umbringt.
Die Geschichte hinter der oft gespielten Carmen ist eine andere. Carmen hat keine Mutter. Ihr "Vater" war der französische Autor Prosper Mérimée, der ihr 1845 das Leben schenkte und sie als Spanierin ausgab, um mit einem seinerzeit beliebten folkloristischen Spanien-Image bei der Leserschaft zu punkten. Wo sie ihre Kindheit verbrachte, ist weit gehend ungeklärt, und ihre Zeit als Werktätige ist geprägt von Liebesaffären sowie Konflikten mit Arbeitskolleginnen. Der Lebensabend der längst zum Mythos gewordenen Frau, die schon tausende Male durch die Klinge des rasenden Liebhabers sterben musste, zeichnet sich jedenfalls nach 160 Jahren noch immer nicht ab.
Die Dame, die nicht nur Bizet zu einer der meistgespieltesten Opern der Musikgeschichte inspirierte, sondern auch Claudio Coello, Edouard Manet, Pablo Picasso oder Gustave Courbet zur Muse wurde, ist derzeit in Graz zu Gast. Am Samstag tanzt und stirbt sie erstmals in der hoch technologischen Helmut-List-Halle. In der Inszenierung von Andrea Breth und unter der musikalischen Leitung von Nikolaus Harnoncourt eröffnet sie die diesjährige styriarte.