Conor Oberst von den Bright Eyes präsentierte in der Arena Songs zwischen Zorn und Wehmut: ein Guter!

Foto: Ixthuluh

Wien – Mit den Worten "This is a song I learned in sunday school" kündigte Conor Oberst das Stück I Believe In Symmetry an. Jenen Song, der die konservative britische Musikpresse die Hände über den Kopf zusammenschlagen ließ. Lehnt er sich doch zu Beginn überdeutlich an Nenas 99 Luftballons an. Dieselben Kritiker, die den jungen Amerikaner und seine Bright Eyes für das Countryrock-Album I'm Wide Awake It's Morning mit Bob-Dylan-Vergleichen überschütteten, in ihm also mindestens einen neuen, jungen Heilsbringer sehen wollten, lehnten das Anfang 2005 zeitgleich erschienene Album Digital Ashes In A Digital Urn brüsk ab.

Darauf präsentiert Oberst eine seinem Countryrock entgegengesetzte Poppigkeit, die er auf dem Open-Air-Gelände der Wiener Arena in großer Besetzung aufführte: Zwei Schlagzeuger, Bass, drei Keyboards, stellenweise Cello und Violine sowie kreischende Gitarren übersetzten Obersts Ausbrüche, die sich zwischen adoleszenter Wut und resignativer Depression bewegen.

Überzeugen konnte er mit beidem. Dem Wahnsinn, den es auf der Bühne zu organisieren galt, unterlag der 24-Jährige dabei im administrativen Sinn – wie eine Steißlandung nach einem gewagten Sprung von der Basstrommel eines Schlagzeuges zeigte. Doch das unermüdliche Sich-gegen-die-Rhythmen-Stemmen, das Verlangen nach Konfrontation, die Suche nach Reibeflächen in den eigenen Songs, dieses Einer-prinzipiell-feindlich-gesinnten-Welt-etwas-Gutes-abringen-Wollen mündete in einen denkwürdigen Auftritt. Bevor dieser mit dem letzten Song des Albums Easy/ Lucky/Free, in dem Oberst bitter die Aussichtslosigkeit auf ein glückliches Leben verhandelt, zu Ende ging, ritt er ordentlich den Teufel. In Stücken wie Take It Easy (Love Nothing) oder Light Pollution taumelte er im druckvollen Sound seiner zehnköpfigen Band zwischen Keyboards und Gitarre, generierte Feedbacklärm und schrie sich die Seele aus dem schmalen Leib.

Solch Emphase, die in all ihrer Zerrissenheit, ihrem Zorn nicht zu gering Wehmut und Verletzlichkeit transportiert, konnte man zuletzt nur bei den Kanadiern von The Arcade Fire in dieser Intensität erleben. In den ruhigeren Stücken erinnerte der Seitengescheitelte nicht selten an Robert Smith von The Cure – bevor dieser ein überschminkte, hochtoupierte Gruftie-Karikatur wurde: Hübsche Melodien aus den Keyboards und schmollende Streicher prägten diese Konzertabschnitte und ließen das in Oberst vermutete Genie sehr wahrhaftig erscheinen.

Ein großer Abend, den am späten Nachmittag die Label-Kollegen und Freunde von Oberst, die ruppig-ungestümen The Faint, einläuteten. Ihnen folgte die Kanadierin Feist, deren seelenvolle, Hammond-B3-Orgel-gestützte Songs beste Vorarbeit für die Bright Eyes geleistet hatten. (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.06.2005)