Foto: Süddeutsche Cinemathek
Zwei Männer betreten einen Billardsaal. "It's quiet", sagt der eine; und der andere: "Yeah, like a church. Church of the Good Hustler." Das ist der Titel dieses Films: The Hustler; ein Wort, das Gaunerei und Betrug, Hetzen und Gehetztsein, den Drang zum Geld enthält. Wie in anderen Kirchen auch, wird im Billardsaal die Suche nach dem rechten Weg inszeniert. Im Kapitalismus ist der rechte Weg der zum Erfolg, zum Gewinn. Dass er vereinbar sei mit dem rechten Weg des Gewissens, ist eine der ideologischen "Lehren" des amerikanischen Jahrhunderts.

Robert Rossen (1908- 1966) zählte zu jenen Amerikanern, die massive Zweifel daran hegten. The Hustler, sein vorletzter Film, attackiert den Fetisch des "win or lose", indem er ihn mehrdeutig macht. In der Passionsgeschichte von "Fast Eddie" Felson, dem begnadeten Billardspieler, werden Sieg und Niederlage so vielfältig definiert, dass sie am Ende unbestimmbar geworden sind.

1961, nach dem Ende des klassischen Studiosystems und vor dem Anbruch des "New Hollywood", agiert Rossen in einem faszinierenden Zwischenreich. Er übersetzt eine im Wandel befindliche öffentliche Ethik in die Begriffe einer sich wandelnden Ästhetik. Leere Kleinstädte, schäbige Billard- und Wartehallen, Hotellobbys als Schauplätze. Die ausgefeilten Bildeffekte des deutschen Kameramanns Eugen Schüfftan am Ende seiner langen Laufbahn. Paul Newman als Eddie Felson, das ist die überhebliche Schönheit der Jugend, die "cockiness" von John F. Kennedy, der 1961 eine "neue Generation von Amerikanern" ausrief und nur mit Glück die Bay-of-Pigs-Invasion überstand.

Die humpelnde Alkoholikerin Sarah (Piper Laurie): ein früher Fall von Schönheit nicht im Sinn von "talent", sondern von "character". Die Schönheit des Alters ist die ungewöhnlichste von allen: Jackie Gleason als Minnesota Fats, Eddies Kontrahent. So dürfen wir uns den Regisseur vorstellen: im Festhalten am Ritual, an der Eleganz; nach dem Verrat, nach der Illusion vom rechten Weg. (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.06.2005)