Wie sich Politiker kleiden wird wesentlich genauer beobachtet

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Ein Brautkleid ist attraktiver als Feinstaub, das ist logisch. Dass einem aber die Kompetenz abgesprochen wird, ist nicht nachvollziehbar. Eva Glawischnig (Grüne)

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Wenn man mit den Societyseiten spielt, muss man sich gefallen lassen, dass man anders behandelt wird. Sich dann zu beschweren ist dünnhäutig. Sonja Wehsely (SPÖ)

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Ich finde die Anzieh-Debatte so mittelalterlich. Warum müssen sich junge Frauen in ein Schema pressen lassen, was sie anziehen dürfen und was nicht?" - Das sagt Ulli Sima, SPÖ-Umweltstadträtin in Wien, nicht als enge Freundin von Eva Glawischnig, sondern als 36-jährige SPÖ-Politikerin, die aus leidvoller Erfahrung weiß: "Frauen müssen prinzipiell kompetenter sein als Männer. Für junge Politikerinnen gilt das hoch zwei." Nur dann werde über ihre Inhalte und nicht über ihr Aussehen geredet.

Restriktiver Dresscode

Diesen persönlichen Eindruck kann Medienpsychologe Peter Vitouch wissenschaftlich bestätigen: "Es gibt Untersuchungen, dass bei Frauen der Dresscode restriktiver ist. Sobald sie das Geschlecht betonen und nicht wie ein Mann herumlaufen, riskieren sie den Verlust der Glaubwürdigkeit."

Privatheit

Wobei man es mit durchdachten Konzepten, tollen Programmen oder sonstigen inhaltlichen politischen Ansagen selten auf die Titelseite der Krone schafft. Eva Glawischnig hat das mit ihrem Hochzeitsfoto geschafft - und dadurch auch die seit Karl-Heinz Grassers Badebildern schwelende Diskussion erneut angeheizt, wie privat Politiker sein dürfen. Oder sollen.

"Ein Brautkleid ist attraktiver als Feinstaub, das ist auch für mich logisch", meint Glawischnig, "was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass einem die Kompetenz abgesprochen wird."

Seitenblicke-Falle

Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen die Seitenblicke-Falle plagt. "In einer Mediendemokratie werden Äußerlichkeiten und Styling zum Teil des Images, und das ist auch ganz normal", analysiert Politologe Peter Filzmaier. "Die Grünen haben das früher benutzt, um das Klischee der Birkenstockträger zu durchbrechen. Das war die Botschaft. Bei Glawischnig habe ich den Eindruck, dass die Message verloren gegangen ist. Sie macht den gleichen Fehler wie Ex-Bundeskanzler Viktor Klima."

Grün-intern wird die Frage, ob Glawischnig zu weit gegangen ist, seit Tagen heiß diskutiert. Nicht alle verstehen ihre Haltung. "Es gibt Dresscodes in der Politik. Sie gelten auch für Frauen. Leider auch privat", bringt es eine Spitzen-Grüne auf den Punkt. Und: "Wenn ich bauchfrei heirate, darf ich mich nicht wundern, dass die Medien das zum Thema machen." Glawischnig sieht das anders: "Meine Hochzeit war ein privates Fest."

Society-Geschichten gehören zum Geschäft

Ulli Sima hat die Frage, wie viel Privates die Politik verträgt, für sich so beantwortet: "So Society-Geschichten, denen kommt niemand aus. Das gehört zum Geschäft. Über mein Privatleben rede ich mit Medien aber nur, wenn ich damit eine politische Botschaft vermitteln kann." Als Beispiel nennt sie Aussagen über ihre Kinder, mit denen sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie thematisieren - und bewusst dem Druckbild von der "Supermum" entgegentreten will.

Auch Simas Kollegin in der Wiener Stadtregierung, die Integrationsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), wagt den Schritt in die Seitenblicke-Gesellschaft nur, wenn sie das Gefühl hat, damit ein Thema zu transportieren: "Ich habe mich für Woman fotografieren lassen, weil es um das Thema Schönheitsoperationen ging, die ich ablehne." Aber ansonst achtet Wehsely darauf, dass es keine Bilder mit ihrem Mann oder ihrem Kind gibt. Denn: "Wenn man mit den Societyseiten spielt, muss man sich auch gefallen lassen, dass man anders behandelt wird. Sich dann zu beschweren ist dünnhäutig."

"Ich kokettiere lieber nicht mit den Seitenblicken", gibt sich auch Silvia Fuhrmann von der Jungen ÖVP vorsichtig, "ein TV-Sender wollte mich etwa auf eine Shoppingtour begleiten. Ich habe abgelehnt."

Blitzlichter aufs Privatleben

Aber genau solche Geschichten sind in manchen Medien gefragt. Vitouch sieht diese Soft Storys als "Wechselwirkung zwischen Medien und Politikern". Finanzminister Karl-Heinz Grasser habe vorgemacht, wie man sich als Marke KHG positioniere - dazu passe auch, Blitzlichter aufs Privatleben freizugeben.

Auch wenn Grasser gegen Bilder prozessiere und Glawischnig sich über Fotografen beklage - Vitouch hält das Phänomen, dass das Private politisch ist, für schwer umkehrbar: "Bekanntheit erreicht man, wenn man in Medien aufscheint. Solange Bekanntheit mit Erfolg gleichgesetzt wird, wollen Politiker medial vorkommen."

Recht auf Privatleben

Vitouch behauptet nicht, dass Politiker kein Recht auf Privatleben haben - im Gegenteil. Nur: "Wer mit seinem Privatleben an die Öffentlichkeit drängt, darf sich nicht beschweren, wenn öfter Fotografen da sind."

Daher hätte Gertrude Brinek, Wissenschaftssprecherin der ÖVP, einen Rat an Grasser und Glawischnig: "Wer so schillernde Partner hat, müsste sie eigentlich gleich verstecken. Sonst wird man die Fotografen nicht mehr los." Ein bisschen ernster meint sie, dass es für junge Politikerinnen wenige Rolemodels gebe: "Daher wird bei ihnen besonders auf Äußerlichkeiten wie Stimme oder Outfit geschaut."

"Ich bin nicht als Prominente, sondern als Sachpolitikerin in die Politik gegangen", resümiert Glawischnig. Über die bösen Medien jammern will sie nicht, stattdessen versucht sie, an die aktuellen Debatte eine politische Forderung zu knüpfen: "Ich will nicht, dass für Frauen wieder Mauern aufgezogen werden. Sollen wir alle in dunklen Businessanzügen mit Rolli herumlaufen? Wir haben eben nicht nur Köpfchen, sondern auch einen Körper." (Eva Linsinger, Barbara Tóth, DER STANDARD Printausgabe 25.6.2005)