Paris – Trotz der heftigen Polemik, die Nicolas Sarkozy durch die Forderung eines Sanktionssystems für Richter ausgelöst hat, beharrt der französische Innenminister und Chef der Regierungspartei Union für eine Volksbewegung (UMP) auf seiner Position. "Kann es denn eine Macht geben, die Macht der Richter, die ohne Verantwortung ist?", betonte Sarkozy Freitagabend im Fernsehsender "France".
Der Innenminister ging noch weiter und forderte, dass in die Entscheidungen über die bedingte Freilassung der Verurteilten neben dem Richterkolleg und den Gerichtsexperten auch die Opfervereinigungen eingebunden werden. Diese Vereinigung sind gegenwärtig nur in den Berufungsverfahren gegen eine bedingte Freilassung vertreten. Für "Multi-Wiederholungstäter" solle es überhaupt keine vorzeitige Haftentlassung sowie eine "unmittelbare Aburteilung" geben, fügte Sarkozy hinzu, ohne diesen Begriff, der im französischen Rechtssystem nicht existiert, näher zu definieren.
Empörung über Fehleinschätzung
Ausgegangen war die Polemik zwischen Richtern und Innenministern vom Mordfall der 39-jährigen Nelly Cremel, deren Leiche am 10. Juni in einem Waldstück bei Paris aufgefunden worden war. Die Frau war am 2. Juni beim Joggen spurlos verschwunden. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um Patrick Gateau, der bereits 1990 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. 2003 wurde er bedingt freigelassen. Sarkozy hatte am vergangenen Mittwoch seine "Empörung" über diese "Fehlentscheidung" der Richter zum Ausdruck gebracht.
Am Freitag betonte Sarkozy im TV-Interview erneut, dass die Richter für diesen Fehler "bezahlen" müssen, obwohl Premier Dominique de Villepin (UMP) kurz zuvor klargestellt hatte, dass die "Unabhängigkeit der Justiz und der Richter ein grundlegendes Prinzip einer Demokratie" sei, und dass man diese "nicht in Frage stellen" dürfe. Auch Präsident Jacques Chirac (UMP) verteidigte die Autonomie der Richter, wenn er auch eine Gesetzesänderung in Bezug auf die bedingte Freilassung in Aussicht stellte.
"Herr Sarkozy beweist eine große Unverantwortlichkeit, indem er solche Maßnahmen in Aussicht stellt", betonte Come Jacqmin, Generalsekretär der Richtergewerkschaft Syndicat de la Magistrature (SM) und erinnerte daran, dass die konservative Regierung erst im März des Vorjahres ein Gesetz mit neuen Regeln zum Strafvollzug im Parlament durchgebracht habe. "Es liegt nun am Premierminister und am Präsidenten der Republik, dem Innenminister Einhalt zu gebieten", forderte Jacqmin.
Der Innenminister beharrte am Freitag auch auf seiner heftig umstrittenen Aussage, wonach er den Pariser Einwanderervorort La Courneuve nach der Tötung eines elfjährigen Buben durch eine offensichtlich verirrte Kugel mit einem Hochdruckreiniger "reinigen" werde. (APA)