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Kauf

Haben Sie schon einmal über die Anschaffung eines Level-60-Schamanen nachgedacht? Wie wäre es mit diesem: Er verfügt über 770 Goldstücke, Triunen-Amulett, Heliotropenumhang, dracorianische Stulpen, Blut des Märtyrers, epische Handschuhe, einen grünen Wächter-Talisman und maximales Wissen über Kräuterkunde. Die Liste der Extras geht noch weiter.

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Zeitraubend

Mehr als 700 Onlinestunden habe er investiert, verspricht der Schamanenbesitzer, immer ordentlich gespielt, nie Ärger mit anderen Spielern oder den Gamemastern gehabt. Nun müsse er sich aus persönlichen Gründen von seinem virtuellen Schmuckstück trennen ("heul"). An den Meistbietenden - versteht sich.

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Nachlegen

Das ist nur eines von zahlreichen Angeboten, die auf Ebay allein für das Rollenspiel "World of Warcraft" gelistet sind. Mit virtuellen Charakteren und Onlinegold läuft ein schwunghafter globaler Handel. Immer mehr Onlinegamer ersparen sich das mühsame Hocharbeiten und stoßen mit einem Second-Hand-Charakter direkt zu den interessanteren Aspekten eines Spiels vor.

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Erleichterung

Oder sie kaufen anderen virtuelle Spielwährung ab, um im MMORPG (Massive Multi Player Online Role Play Game) ihrer Wahl ein leichteres Leben zu haben. Die Anbieter sind längst nicht mehr alle Amateure, die ein Spiel satt haben und das Restguthaben für ihren Spieleserver versilbern wollen. Der Handel mit virtuellem Spielgut ernähre bereits mehrere Zehntausend Menschen, schätzt Patrick Bernard. Der im kalifornischen Sunnyvale lebende Amerikaner ist selbst einer von ihnen.

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Handel

Bis vor zwei Jahren war Bernard nur ein passionierter "Dark Age of Camelot"-Fan. Von einem Freund darauf angesprochen, dass sein Gold auf Ebay ein Vermögen wert wäre, beschloss er, es abzustoßen. Vom Erlös sollte ein Flachbildmonitor her. Dass bereits ein kleiner Bruchteil seines Spielgolds genügte, brachte Bernard auf die Idee, eine Firma zu gründen. Richtig los ging es mit "Gamersloot", als sich ein rumänischer Spielerfreund per E-Mail als Geschäftspartner anbot. Arbeitszeit, wichtigster Faktor bei der Produktion von Onlinewerten, ist billig in Rumänien, die Abwicklung von Kreditkartengeschäften dagegen schwierig bis unmöglich.

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Schichtdienst

Im Hinterzimmer eines Plattenbaus in der Kleinstadt Caracal laufen die Rechner rund um die Uhr. 15 Rumänen schlüpfen in Acht-Stunden-Schichten in die Rolle von Schurken oder Zauberern. Die meisten sind unter 30 - auch Frauen gibt es. Ihre Monatslöhne liegen zwischen 100 und 300 Euro. Einige haben vorher nie online gespielt und alles bei Gamersloot gelernt. Die wichtigsten Voraussetzungen für den Job: Zuverlässigkeit und Grundkenntnisse in Englisch.

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Aufstieg

"Powerleveling" nennt sich die meistgefragte Dienstleistung: Dabei übermittelt man Servernamen, Passwort und welches Niveau man künftig spielen will. Einige Tage und einige Hundert Euro später gibt es die Rollenidentität gestärkt zurück. Was die rumänischen Mitarbeiter dafür anstellen, sollen Kunden nicht erfahren, findet Bernard: "Geschäftsgeheimnis". Aufträge kriege er aus der ganzen Welt, nur gut ein Drittel kommt aus den USA.

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Identität

Als typische Kunden nennt er Väter, die gemeinsam mit ihren Kindern online spielen wollen. Das mache erst Spaß, wenn beide etwa auf dem gleichen Level agieren. Es gebe aber auch Kunden, die in ihrem Lieblingsspiel eine andere Rolle ausprobieren wollen, ohne hunderte von Stunden zu vergeuden, bis es wieder spannend wird.

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Zwielicht

Wie er seine Fähigkeiten als Onlinespieler zu Geld machen kann, überlegt auch Brian Fisher ständig. Von Arizona aus schreibt er zusammen mit Freunden, die in Florida leben, strategische Anleitungen zu den Spielen. Ihre Firma "Game Guides Online" könne ohne Weiteres "Powerleveling" anbieten oder sehr effizient "Gold ernten", sagt Fisher. Doch das sei eine zwielichtige Industrie, aus der sie sich lieber raushalten, um ihre mühsam erworbene Glaubwürdigkeit nicht zu riskieren.

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Moral

Patrick Bernard sieht es gelassen, wenn er von Veteranen der Onlineszene als Betrüger beschimpft wird. Die Aufstiegsmöglichkeiten in den Spielen seien ja nicht so angelegt, dass man einander etwas wegnimmt. Ranglisten gebe es nur für Beliebtheit und gutes Verhalten. Eine moralische Grenze hat auch er: "Makros" oder "Bots", Programme, die automatisch spielen, würde er nicht einsetzen. Bernard ist überzeugt, dass mit virtuellen Spielgütern jährlich über 100 Millionen Dollar umgesetzt werden.

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Handelsplatz

Als Hauptumschlagplatz hat sich neben Ebay das auf Onlinespielgut spezialisierte Handelshaus IGE etabliert, das von Hongkong aus operiert. Die Nähe zu China ist kein Zufall. Dort werden die meisten der virtuellen Spielguthaben und Charaktere produziert. Was für Gamersloot Caracal ist, ist für deren australischen Konkurrenten GDOZ Guangdong: 100 Mitarbeiter rollenspielen dort für umgerechnet 70 Cent Stundenlohn.

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Distanz

Die Spieleproduzenten selbst haben das parasitäre Geschäft bislang aus der Distanz betrachtet. Einerseits profitieren sie, weil auch GDOZ oder Gamersloot für Zugang zu den Servern zahlen. Andererseits kommt es vor, dass sich Onlinespieler beim Erwerb von Onlinewerten übers Ohr gehauen fühlen und die Schuld auf den Produzenten schiebt oder dem betreffenden Spiel abschwört.

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Offiziell

Nun wagt Sony den Rollentausch: Ab Ende Juni lässt der Marktführer bei "Everquest 2" auf ausgewählten Servern probehalber den Tausch von Spielgut gegen harte Währung zu. Dass es Sony nur darum gehe, der Spielergemeinde einen Handel ohne Frust zu ermöglichen, bezweifelt Bernard: "Die wollen ihr Stück vom Kuchen." (Stefan Löffler / DER STANDARD RONDO, 24.06.05)

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