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STANDARD: Die Diskonter gewinnen derzeit stark im Handel, weil die Konsumenten angeblich nur mehr geizig sind. Die Supermärkte reagieren mit heftiger Preisschleuderei. Daneben steht die Industrie und fürchtet sich. Sind Marken in einer Krise?

Strebinger: In der Krise sind nur die schwachen Marken, also jene, die dem Kunden keinen Mehrnutzen bringen. Diese sind von den Eigenmarken des Handels am stärksten betroffen. (Der Diskonter, Anm.) Hofer selbst ist schon eine der stärksten Marken überhaupt.

STANDARD: Die großen Supermarktketten - in Österreich Rewe und Spar - versuchen, die erfolgreichen Diskonter Hofer und Lidl mit den eigenen Waffen zu schlagen. Sehen sie darin einen Sinn?

Strebinger: Die Erwartungen, die der Handel offenbar in Einsatz von eigenen Marken setzt, halte ich für überzogen. Die klassischen Supermärkte wollen sich mit Eigenmarken gegen die Diskonter wehren. Ich glaube, dass genau das nicht gelingt, im Gegenteil, sie führen ihre eigenen Kunden an Hofer und Co heran. Die Kunden werden nicht gebunden, sondern sozusagen zum Abwandern aufgefordert. Man bringt ihnen bei, dass günstige Produkte ohnehin gleich gut sind. Dazu kommt, dass die eigenen Handelsmarken nicht so kalkuliert werden wie Herstellermarken, denn sonst könnten diese nicht mit diesen Preisen in den Regalen stehen. Die profitabelsten Kunden sind laut amerikanischen Studien nicht die reinen Handelsmarkenkäufer, sondern jene, die einen Mix nehmen.

STANDARD: Es gibt aber auch Ausnahmen, Ja! Natürlich von Billa etwa.

Strebinger: Durch diese Premiummarken fühlt sich der Kunde ja auch an das Unternehmen gebunden. Die bringen tatsächlich mehr Besucher. Doch man kann nicht quer durch den Gemüsegarten solche Marken gestalten. Man muss sich zunächst überlegen: Was ist denn eigentlich meine eigene Marke? Wofür steht eigentlich Billa, wofür Spar? Derzeit wird eigentlich viel nur vom anderen kopiert - bei Fertigmenüs oder Biomarken.

STANDARD: Sollen Konsumenten heute überhaupt noch "auf die Marke achten", wie es die Industrie gerne hätte?

Strebinger: Nur wenn man der Überzeugung ist, dass man für sein Geld etwas Besseres von einer Herstellermarke bekommt. So einfach ist das.

STANDARD: Das hört sich nach Krise für einige Marken an.

Strebinger: Mich stört, dass das Thema Marke nur in Zusammenhang mit Konsumgütern diskutiert wird. Das ist es natürlich nicht, das Thema ist breiter. Dass es eine Krise eines bestimmten Typs Marke gibt, bei schnell drehenden Konsumgütern, das stimmt. Aber in Bereichen? Stichworte: iPod. Es entstehen immer wieder extrem starke Marken. Darüber hinaus werden manche Popstars, aber auch Politiker, wie Markenartikel beworben und auch geführt. Sie verstehen sich auch als solche. Eine Marke ist eine sehr effiziente Form von Informationsweitergabe. Und qualitätsvolle Information ist heutzutage ein Luxusgut.

STANDARD: Seitens der Industrie hört man, dass die Konsumenten mit Kaufunlust und Hang zum Diskont alleine schuld sind an der Flaute. Ist das so?

Strebinger: Natürlich gibt es Einflüsse der Konjunktur. Aber es gibt auch einen langfristigen Trend, der sich immer wieder in Studien zeigt: Viele Kunden verlieren einfach den Glauben an Herstellermarken. Marken müssen sich differenzieren. Diese Differenz in der Wahrnehmung muss aber auch ein Fundament haben. Man muss auch tatsächlich etwas besser können als die Konkurrenz.

STANDARD: Dabei verwundert es aber, wie oft es vorkommt, was einem alles als Substanz verkauft wird - Stichwort: Immer neue Rasierklingen mit Namen wie getunte Sportwagen, die aber wieder nur - wieder teurere - Rasierklingen sind. Sind wir in manchen Kategorien nicht einfach schon am Ende aller Innovationen?

Strebinger: Die Kunden werden möglicherweise desinteressiert. Eine Bekannte sagt mir unlängst, in der Werbung sei betont worden, ihre Lieblingsschokolade sei ab sofort noch zarter. Sie will aber gar nicht, dass sich ihre Lieblingsschokolade verändert. Die Konsumenten schauen heute ganz genau, ob sie Innovationen nützen können oder nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2005)