Wien - Suchte man nach einem Werk, zu dem Zubin Mehta nicht nur musikalischen, sondern auch - wie kaum zu einem anderen - persönlichen Zugang hat, so würde man zweifellos bei Richard Strauss fündig. Und zwar bei dessen symphonischer Sonorisierung von Friedrich Nietzsches philosophischer Schrift Also sprach Zarathustra. Nicht etwa, weil Zubin Mehta mit Nietzsche etwas am Hut hat, sondern weil er einer Religionsgemeinschaft, dem Parsentum, angehört, die auf den vom persischen Priester Zarathustra überlieferten Lehren basiert.

Freilich lässt sich schwer sagen, wie weit Mehta nun der pastosen Deutung durch Richard Strauss im geistlich-religiösem Sinn zustimmt, musikalisch jedenfalls hat er sich am vergangenen Freitag im Musikverein mit diesen schwelgerischen Philosophemen mit einem die Wiener Philharmoniker wie auch das Publikum mitreißenden und hell begeisternden Einsatz identifiziert.

So wurde die Frage, ob und wie sehr Zarathustras Geist aus diesem Werk spricht, zur Nebensache. Vielmehr wurde diese atemberaubende Wiedergabe zu einer glänzenden Rehabilitierung für den gerade gegenwärtig schwer in Verruf gekommenen Begriff des Populismus.

Richard Strauss hat mit jedem Ton, jedem Akkord und jeder Pause deren Wirkung auf seine Zuhörer genau kalkuliert. Weil er von ihnen lebte, schrieb er für sie. Europas Politiker sollten bei Richard Strauss in die Schule gehen.

Oder auch bei Maxim Vengerov. Denn auch dieser Zaubergeiger weiß, was er als Solist von Beethovens Violinkonzert seinem Publikum schuldig ist und wie er es in ekstatische Begeisterung versetzt. Was er vollbringt, als Interpretation zu bezeichnen, wäre zu wenig - vielleicht auch zu viel - gesagt.

Substanzveränderung

Was Vengerov vollbringt, ist eine substanzielle akustische Wesensveränderung der Noten. In beinah mystischer Union mit seiner Stradivari verwandelt er gleich einem Alchemisten seinen Part in ein verzauberndes Gespinst von höchst persönlichen Mitteilungen voll inbrünstiger Eindringlichkeit, zu denen ihm die vom Mehta in Dynamik und Tempo zu Gemessenheit angehaltenen Philharmoniker das passende Forum boten.

Und nach der behutsamen Wiedergabe seiner Sechs Orchesterstücke durch die Philharmoniker könnte man auch Anton Webern einen Populisten nennen. Hat er doch durch deren Kürze dem Publikum die Gelegenheit gegeben, deren fragile Strukturen als Ganzes zu erfassen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2005)