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Foto: AP/Thierry Charlier
Pörtschach - Unsere moderne Gesellschaft kennt viele Arten von Essstörungen. Die Grazer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin Maria Brunner-Hantsch sieht einen Zusammenhang zwischen materieller Überflussgesellschaft und dem Versuch der Tabuisierung ihrer Folgen. Überschattet werde alles von einem übersteigerten Konzept der Zeitkontrolle.

"Wir können beobachten, dass in jeder Epoche Krankheiten mit jenen Symptomen besonders häufig sind, die einem besonders tabuisierten Bereich der Gesellschaft entsprechen", so die Psychotherapeutin im Rahmen der Sommerakademie der österreichischen Apothekerkammer. So sei die Hysteriediskussion vom Ende des 19. Jahrhunderts ein Ausdruck der damals tabuisierten Sexualität, heute werde wiederum bei jeder Speise überlegt, wie viele Kalorien enthalten sind: "Kalorien sind tabu", so Brunner-Hantsch.

Persönlichkeit und Sozialisation

Beim Gedanken an Essen spiele immer auch der Gedanke an das eigene Erscheinungsbild und die Korrektur durch Diät mit. Doch nicht bei jeder Person verselbständigen sich Diäten in krankhafter Weise und nicht jede lässt sich von Werbebildern und Medien massiv beeinflussen: "Ob es zur Essstörung kommt, ist eine Frage der Persönlichkeit sowie der Sozialisation in der Familie", meint Brunner-Hantsch.

Grundproblem

Als ein Grundproblem ortet sie ein oft niedriges Selbstwertgefühl. "Nur wenn sie perfekt sind, glauben viele Frauen sich auch liebenswert". Während aber das durchschnittliche Körpergewicht erwachsener Frauen in unserer Gesellschaft deutlich zugenommen habe, sei das in den Medien vorgegebene Idealgewicht drastisch gesunken. Unzählige Diäten und Fastenkuren sind die Folge.

Der Leidensdruck, der durch den Wunsch, eine "perfekte Frau" zu sein, produziert wird, werde von Bulemikerinnen mit spannungsregulierenden Essanfällen und darauf folgendem Erbrechen abgebaut. Während für sie eine schlanke Figur und attraktiv sein extrem wichtig ist, stellen Anorektikerinnen (Magersüchtige) ihren abgemagerten Körper zur Schau. "Mit dem Konzept der Selbstkontrolle plagen sich beide herum", analysierte die Psychiaterin.

Therapie

Bei der Therapie sei laut Brunner-Hantsch langer Atem notwendig. Sie müsse grundsätzlich auf Ernährungsmanagement und Psychotherapie basieren. Die Prognose sei insgesamt "nicht so günstig". "Etwas mehr als ein Drittel wird völlig gesund".

Zur Prävention hat die Psychotherapeutin mehrere Tipps - auch für Eltern - bereit. Hinterfragen von Schönheitsidealen, Akzeptieren des Kindes, so wie es ist, Entkoppeln von Belohnung und Süßigkeiten, keine negativen Kommentare über die Figur des Kindes sowie mehr Fürsorge und weniger Kontrolle seien Vorgehensweisen, wie dem Problem vorgebeugt werden könne. (APA)